Rufbereitschaft: Was zur Arbeitszeit gehört und was nicht
Ständig im Stand-By-Modus: Manche Kolleginnen und Kollegen müssen sich auch außerhalb ihrer Arbeitszeit für Notfälle bereithalten. Viele Arbeitgeber halten aber dabei die gesetzlichen Vorgaben nicht ein. Ein neues EuGH-Urteil legt nun noch einmal fest, ob Rufbereitschaft zur Arbeitszeit zählt oder Freizeit ist. Davon hängt mehr ab, als bloß die Bezahlung.
In 20 Minuten in der Stadt: Ist das noch Freizeit?
Der Fall: Ein Feuerwehrmann aus Offenbach durfte sich während seiner Rufbereitschaft nur an solchen Orten aufhalten, von denen er innerhalb von nur 20 Minuten in Einsatzkleidung und mit seinem Einsatzfahrzeug die Stadtgrenze erreichen konnte. Trotzdem sah die Stadt als Arbeitgeberin diese Bereitschaftszeiten als Freizeit an – und verweigerte die Lohnzahlung. Der Feuerwehrmann klagt vor dem Verwaltungsgericht. Das setzte das Verfahren aus, um erst einmal den Rat des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) einzuholen.
Das Urteil: Eine Entscheidung darüber, ob im Falle des Feuerwehrmanns aus Offenbach die Rufbereitschaft zur Arbeitszeit gezählt werden muss, trafen die Richter in Luxemburg nicht. Dafür nannten sie Faktoren, nach denen sich auch deutsche Arbeitsgerichte bei der Frage orientieren müssen, ob die Rufbereitschaft zur Arbeitszeit gehört und damit auch vergütet werden muss. Dazu gehört ab sofort, ob Ihre Kolleginnen oder Kollegen während der Rufbereitschaft „ganz erheblich“ in ihrer Freizeitgestaltung eingeschränkt sind. Liegt keine Einschränkung vor, zählen nur solche Bereitschaftsstunden zur Arbeitszeit, in denen auch wirklich gearbeitet wird. Dabei kann es zum Beispiel darauf ankommen, wie schnell die Kollegin oder der Kollege den Einsatzort erreichen kann. Maßgeblich kann daher im Einzelfall sein, ob ein Einsatzfahrzeug zur Verfügung gestellt wird, mit dem – wie im Falle des Offenbacher Feuerwehrmanns – der Einsatzort mit Sonderrechten, also Blaulicht, erreichen kann (EuGH, Urteil vom 09.03.2021, C-580/19).
Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft: Hier liegt der Unterschied
Bereitschaftsdienst | Rufbereitschaft |
Ihre Kollegin oder Ihr Kollege hält sich an einem Ort auf, den der Arbeitgeber bestimmt. | Ihre Kollegin oder Ihr Kollege hält sich an einem Ort der persönlichen Wahl auf. |
Bereitschaftsdienst = Arbeitszeit | Rufbereitschaft = Ruhezeit |
In der Praxis bedeutet das: Ihre Kollegin oder Ihr Kollege hält sich an einem Ort innerhalb oder außerhalb des Betriebs auf, um seine Arbeit sofort aufnehmen zu können. Damit befindet sich Ihre Kollegin oder Ihr Kollege sogar dann im Bereitschaftsdienst, wenn sie oder er schläft. | In der Praxis bedeutet das: Ihre Kollegin oder Ihr Kollege hält sich in seinem Privatbereich – das kann zu Hause, aber z. B. auch im Fitnesscenter sein – auf. Auf Abruf kann sie oder er die Arbeit innerhalb angemessen kurzer Zeit sofort wiederaufnehmen. |
Bereitschaftsdienst & Co.: So steht’s um Ihre Mitbestimmung als Betriebsrat
Ohne Sie als Betriebsrat läuft bei diesen beiden Beschäftigungsformen nicht viel. Denn sowohl die Einführung als auch die Ausgestaltung unterliegen der zwingenden Mitbestimmung (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG). Das heißt vor allem, dass der Arbeitgeber Sie als Betriebsrat beteiligen muss, wenn es um die Festlegung
- der Uhrzeiten geht, zu denen der Bereitschaftsdienst beginnt und endet, und
- der Kolleginnen und Kollegen, die Bereitschaftsdienst leisten sollen.
Wichtiger Hinweis: Lässt sich mit Ihrem Arbeitgeber dabei keine einvernehmliche Regelung im Rahmen einer Betriebsvereinbarung finden, können Sie als Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen.
Bereitschaftsdienst: Dafür werden schon jetzt 9,50 € fällig
Aber Achtung: Selbst wenn nach dem neuen EuGH-Urteil ein Lohnanspruch besteht, heißt das noch lange nicht, dass Ihr Arbeitgeber auch wirklich eine Vergütung zahlen muss. Denn solche Einsatzzeiten lassen sich statt mit Geld auch mit Freizeit ausgleichen.
Ist der Bereitschaftsdienst hingegen zum Beispiel tarifvertraglich vergütungspflichtig muss dafür zumindest der gesetzliche Mindestlohn bezahlt werden. Ab dem 01.01.2021 sind also mindestens 9,50 € fällig.
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