Schwerbehinderte Beschäftigte haben Anspruch auf zusätzlichen Urlaub, der über den regulären Jahresurlaub hinausgeht, gemäß § 208 SGB IX. Dieser kommt zu dem gesetzlichen Urlaubsanspruch hinzu und erhöht damit den Jahresurlaub insgesamt. In diesem Beitrag erhalten Sie den Überblick, was Sie als Schwerbehindertenvertretung und Ihre schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen über Voraussetzungen, Berechnung und Besonderheiten beim Zusatzurlaub für Schwerbehinderung wissen müssen.
Die Voraussetzungen des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Arbeitnehmer
Der gesetzliche Anspruch auf Zusatzurlaub gemäß § 208 SGB IX gilt ausschließlich für schwerbehinderte Kolleginnen und Kollegen. Eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn die körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigung einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 beträgt. Der Urlaubsanspruch entsteht ab dem Zeitpunkt, an dem das Versorgungsamt die Schwerbehinderteneigenschaft feststellt. Dies erfolgt rückwirkend zum Zeitpunkt der Antragstellung.
Wichtig: Bei einem GdB unter 50 besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Zusatzurlaub, selbst wenn eine Gleichstellung gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX vorliegt.
Tipp: In einzelnen Bundesländern wird im öffentlichen Dienst ein zusätzlicher Urlaub von bis zu 3 Tagen auch für Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von weniger als 50 gewährt. Prüfen Sie deshalb die einschlägigen Regelungen Ihres Bundeslandes!
Der Zusatzurlaub muss neben dem regulären Jahresurlaub gewährt werden. Es gelten die üblichen Grundsätze des Urlaubsrechts bezüglich Entstehung, Gewährung und Abgeltung. Da der Zusatzurlaub ein gesetzlicher Anspruch für schwerbehinderte Kolleginnen und Kollegen ist, muss er auch nicht gesondert im Arbeitsvertrag erwähnt werden.
Wichtig: Der Anspruch auf Zusatzurlaub besteht auch dann, wenn der Arbeitgeber oder Dienstherr keine Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft hat. Als Nachweis kann der Schwerbehindertenausweis vorgelegt werden.
So viel Zusatzurlaub gibt es
Die Dauer des Zusatzurlaubs richtet sich nach der regelmäßigen Arbeitszeit. Kolleginnen und Kollegen mit Schwerbehinderung, die an fünf Tagen pro Woche arbeiten, haben Anspruch auf fünf zusätzliche Urlaubstage. Bei einer 6-Tage-Woche erhöht sich der Zusatzurlaub auf sechs Arbeitstage, bei einer 4-Tage-Woche verringert er sich entsprechend auf vier Arbeitstage.
Bei Teilzeitarbeitsverhältnissen ist die Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage maßgeblich. Die maximale Urlaubsdauer beträgt jedoch stets eine Arbeitswoche.
Wichtig: Der Anspruch nach § 208 SGB IX ist ein Mindestzusatzurlaub. Abweichende Regelung, aus Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder sonstigen Urlaubsregelungen, die einen längeren Zusatzurlaub für schwerbehinderte Beschäftigte vorsehen und damit günstiger sind, haben Vorrang. Eine arbeitsvertragliche Verkürzung des Zusatzurlaubs ist hingegen verboten.
Wenn die Schwerbehinderung nicht das ganze Jahr besteht
Für Kolleginnen und Kollegen, die nicht das ganze Jahr über schwerbehindert sind, gilt: Für jeden vollen Kalendermonat mit Schwerbehinderteneigenschaft besteht ein Anspruch auf 1/12 des Zusatzurlaubs. Bruchteile von mindestens einem halben Urlaubstag werden aufgerundet.
Beispiel: Frau K. arbeitet in 5 Tage-Woche. Ihr Grad der Behinderung von 60 wurde am 11. Juni festgestellt. Daraus berechnet sich für das Jahr der Feststellung 6/12 von fünf zusätzlichen Urlaubstagen, das bedeutet 2,5 Tage für den Zeitraum von Juli bis Dezember des betreffenden Jahres. Dieser Wert wird auf drei Tage aufgerundet, da nur volle Tage entstehen und eine Abrundung den Mindestanspruch unterläuft.
Wichtig: Der so ermittelte Zusatzurlaub darf nicht vermindert werden, auch wenn das Beschäftigungsverhältnis nicht im gesamten Jahr besteht.
Berechnung bei rückwirkender Anerkennung der Schwerbehinderung
Bei rückwirkender Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft besteht ebenfalls für jeden vollen Monat ein Anspruch auf ein Zwölftel des Zusatzurlaubs, in dem die Behinderteneigenschaft bereits bestand.
Dies gilt jedoch nicht für das Vorjahr: Der Zusatzurlaub aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr kann nicht beansprucht werden, es sei denn, die betroffene Person hat ihren Anspruch bereits im Vorjahr während des Feststellungsverfahrens beim Arbeitgeber ausdrücklich geltend gemacht.
Kann der Zusatzurlaub ins nächste Jahr übertragen werden?
Die Übertragung des Zusatzurlaubs ins nächste Kalenderjahr und der Verfall unterliegen den herkömmlichen urlaubsrechtlichen Regelungen. Lesen Sie dazu Näheres auf Seite 3 dieser Ausgabe.
Beschäftigte mit Anspruch auf Zusatzurlaub müssen diesen rechtzeitig vor Jahresende beim Arbeitgeber geltend machen. Dafür ist es sinnvoll, ihn schriftlich und unter Vorlage des Schwerbehindertenausweises zu beantragen.
Verfall des Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte
Der Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Personen erlischt grundsätzlich nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig dazu aufgefordert und über den Urlaubsanspruch informiert hat (§ 7 Abs. 3 BurlG). Sofern der Urlaub verfällt, erfolgt dies mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (üblicherweise bis zum 31. März des Folgejahres).
Wichtig: Diese Regelung gilt nicht, wenn der Arbeitgeber keine Kenntnis von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers hat und diese nicht offensichtlich ist. In diesem Fall verfällt der Anspruch auf Zusatzurlaub mit dem Ende des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums, selbst wenn der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten nicht nachgekommen ist.
Was geschieht mit Urlaubsansprüchen bei Langzeiterkrankten?
Konnte der Jahresurlaub oder der Zusatzurlaub wegen Langzeitarbeitsunfähigkeit wegen Krankheit nicht genommen werden, bleibt der Zusatzurlaub ebenso wie der vierwöchige gesetzliche Mindesturlaub auch über den Übertragungszeitraum hinaus bis längstens 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres erhalten (neue ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 22.11.2011 – C-214/10).
Wann der Zusatzurlaub nicht mehr besteht
Verliert ein Beschäftigter seinen Schwerbehindertenstatus, besteht eine dreimonatige Schutzfrist nach Unanfechtbarkeit des Feststellungsbescheides, in der weiterhin Anspruch auf Zusatzurlaub besteht. Danach gibt es keinen Sonderurlaub mehr.
Beim vorzeitigen Beenden des Beschäftigungsverhältnisses wird der Zusatzurlaub wie der Jahresurlaub behandelt. Bei Ausscheiden in der ersten Jahreshälfte wird der Urlaub gezwölftelt, bei Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte besteht ein voller Anspruch.
Stand (30.04.2024)