Tattoos: Wann der Chef wegen einer kaum bekannten Straftat kündigen kann
Jeder Fünfte in Deutschland hat schon eine: Tätowierungen werden immer beliebter. Doch die Tattoos können am Arbeitsplatz schnell für Ärger sorgen – und sogar zu einer Kündigung führen. Zu Recht, wenn der neue Körperschmuck gegen ein Gesetz verstößt, dass bisher kaum jemand kennt.
SS-Motto: Da hilft auch eine Änderung nichts mehr
Der Fall: „Meine Ehre heißt Treue.“ Ein angestellter Lehrer hatte sich das Motto von Hitlers Schutzstaffel (SS) in Frakturschrift auf den Oberkörper tätowieren lassen. Dafür erhielt er die fristlose Kündigung. Doch der Mann wehrte sich vor dem Arbeitsgericht und ließ die Tätowierung abändern.
Das Urteil: Half alles nichts. Die fristlose Kündigung ist wirksam. Die Richter sahen in dem Tattoo ein Zeichen für mangelnde Verfassungstreue. Da nützen auch nachträgliche Änderungen nichts mehr. Für die Wirksamkeit der Kündigung kommt es nämlich auf den Zeitpunkt ihres Ausspruchs an und nicht auf den späteren Verhandlungstermin vor dem Arbeitsgericht (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.05.2021, 8 Sa 1655/20).
Diese Straftat führt zur fristlosen Kündigung
Nun handelte es sich in diesem Fall um einen Lehrer, der eigentlich ein Vorbild für Verfassungstreue sein sollte. Fakt ist aber: Auch Ihr Arbeitgeber darf einer Kollegin oder einem Kollegen, der sich ein verfassungsfeindliches Tattoo stechen lässt, fristlos kündigen. Das liegt an einem Straftatbestand, den kaum jemand kennt.
Die Rede ist vom Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB). Danach macht sich strafbar, wer
- Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation, wie zum Beispiel der SS, verbreitet bzw. öffentlich verwendet oder
- derartige Kennzeichen dar- oder herstellt oder vorrätig hält.
Trägt also eine Kollegin oder ein Kollege eine Tätowierung, die ein solches Zeichen einer verfassungswidrigen Organisation darstellt, kann dies ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sein (§ 626 BGB).
Wichtiger Hinweis: Das Gleiche gilt übrigens für Tattoos, die eine Botschaft enthalten, die den Werten Ihres Unternehmens widerspricht.
Auch solche Tattoos können ein Kündigungsgrund sein
Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung liegt außerdem vor, wenn die Tätowierung einen
- gewaltverherrlichenden,
- sexistischen,
- rassistischen oder
- allgemein die Würde des Menschen verletzenden
Inhalt aufweist.
Nicht jedes Tattoo ist ein Kündigungsgrund
Das heißt aber nicht automatisch, dass jede Tätowierung als Kündigungsgrund genutzt werden kann. Selbst wenn ein Tattoo kein Kennzeichen verfassungsrechtlicher Organisationen zum Inhalt hat, ist eine Kündigung grundsätzlich möglich. Dazu muss aber das Tattoo den Werten des Unternehmens widersprechen, was zum Beispiel in der Finanz- oder Versicherungsbranche oder in einem anderen Betrieb der Fall sein kann, mit dem die Kunden eine besondere Seriosität verbinden.
Wichtiger Hinweis: Inzwischen sind aber Tätowierungen derart weit verbreitet, dass Körperbilder nicht mehr zwangsläufig zu Kündigungen führen können. Vor allem dann nicht, wenn das Tattoo sich am Arbeitsplatz gut unter der Kleidung verstecken lässt.
Wie Sie als Betriebsrat aktiv werden können
Handelt es sich bei der Tätowierung eines Kollegen indes nicht um ein harmloses Bild, sondern um ein verfassungsfeindliches oder würdeverletzendes Abzeichen, müssen Sie als Betriebsrat nicht zwangsläufig warten, bis der Arbeitgeber die Kündigung in die Wege leitet, sondern können sogar selber die Entlassung der Kollegin oder des Kollegen fordern (§ 104 BetrVG).
Folgt Ihr Arbeitgeber Ihrer Forderung als Betriebsrat nach der Entlassung eines solchen betriebsstörenden Arbeitnehmers nicht, haben Sie als Betriebsrat die Möglichkeit, das Arbeitsgericht einzuschalten. Das verpflichtet den Arbeitgeber dann unter Androhung eines empfindlichen Zwangsgeldes, der Aufforderung zur Kündigung nachzukommen.
Wichtiger Hinweis: Schließt sich der Arbeitgeber hingegen Ihrer Meinung als Betriebsrat an und beabsichtigt, die Kollegin oder den Kollegen zu kündigen, muss er Sie als Betriebsrat nicht mehr zur Kündigung anhören (§ 102 BetrVG). In diesem Fall haben Sie als Betriebsrat durch Ihre Forderung nach Entlassung bereits Ihre Zustimmung zur Kündigung vorweggenommen.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Soll ein Tattoo als Kündigungsgrund herhalten, empfiehlt es sich für Sie als Betriebsrat in besonderem Maße, ein Gespräch mit der tätowierten Kollegin oder dem tätowierten Kollegen zu führen und auszuloten, welche Möglichkeiten es gibt, eine Kündigung zu vermeiden.
Näheres zum Thema Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug finden Sie hier.
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