Die Herbstferien sind vorbei – und damit quasi die letzte Möglichkeit, den Resturlaub aus diesem Jahr noch aufzubrauchen. Wer jetzt noch Urlaubstage übrig hat, wird von vielen Dienststellenleitungen wegen der andauernden Corona-Pandemie und der Energie-Krise oft vertröstet. Darauf sollte sich aber niemand einlassen. Ein Blick auf die aktuelle Rechtslage, die deutlich zeigt, wie kompliziert es für Ihre Dienststellenleitung ist, den Urlaubsantrag einer Kollegin oder eines Kollegen abzulehnen, wenn es um den Resturlaub geht.
101 Urlaubstage: Davon wollte der Chef nichts mehr wissen
Der Fall: Viel zu tun, hatte ein Steuerberater aus Düsseldorf. Für seine Steuerfachgehilfin gab es daher nur wenig Urlaub. 76 Tage Resturlaub, die nicht verfallen sollten, wurden ihr vom Arbeitgeber schon 2012 bescheinigt. Doch auch in den 6 Folgejahren konnte die Kollegin von ihren 24 Urlaubstagen pro Jahr nur gerade einmal 95 Tage nehmen. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte sie daher die Abgeltung von 101 Resturlaubstagen. Doch davon wollte der Chef nichts mehr wissen.
Das Urteil: Es gibt noch keins. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hatte der Kollegin zwar noch recht gegeben. Die Richter am höchsten deutschen Arbeitsgericht waren sich dessen aber nicht so sicher – und legten die Sache jetzt erst einmal dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung vor (BAG, Beschluss vom 29.09.2020, 9 AZR 266/20). Und der hat jetzt entschieden: Die Kollegin, die aus betrieblichen Gründen daran gehindert war, ihren Urlaub im entsprechenden Kalenderjahr oder im Übertragungszeitraum zu nehmen, bekommt Ihren nicht genommenen Resturlaub komplett ausbezahlt.
Das hat der EuGH entschieden
Der Grund: Zwar hatte der Arbeitgeber die Kollegin zunächst nicht, wie es seine Pflicht gewesen wäre, dazu aufgefordert, ihren Urlaub noch rechtzeitig im jeweiligen Urlaubsjahr zu nehmen (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Anschließend hatte er sich dann aber darauf berufen, dass alle restlichen Urlaubsansprüche, die länger als 3 Jahre zurücklagen, inzwischen verjährt seien. Das heißt: Ab sofort muss Ihre Dienststellenleitung jede Kollegin und jeden Kollegen in Textform darauf hinweisen, dass und bis wann noch bestehende Resturlaubsansprüche genommen werden müssen, bevor diese verfallen oder verjähren.
Wichtiger Hinweis: Die Urlaubsansprüche Ihrer Kolleginnen und Kollegen unterliegen der regelmäßigen gesetzlichen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB). Das heißt: Wer restliche Urlaubstage, die noch nicht verfallen sind, nicht innerhalb dieser Frist nimmt, verliert seinen Resturlaub.
Mein Tipp als Personalratsanwalt: Ermuntern Sie als Personalrat Ihre Kolleginnen und Kollegen sicherheitshalber trotzdem, alle in diesem Jahr noch nicht genommenen Urlaubstage bis zum 31.12.2022, spätestens aber innerhalb des Übertragungszeitraums bis zum 31.03.2023, zu nehmen.
Übersicht: So funktioniert die Regelung zum Resturlaub
Resturlaub
Der Arbeitgeber fordert die Kollegin oder den Kollegen auf, den Resturlaub rechtzeitig zu nehmen, weil dieser sonst zu verfallen droht. –> Der diesjährige Resturlaub verfällt am 31.12., spätestens aber am 31.03. des Folgejahres.
oder
Der Arbeitgeber fordert die Kollegin oder den Kollegen nicht auf, den Resturlaub rechtzeitig zu nehmen, weil dieser sonst zu verfallen droht. –> Der diesjährige Resturlaub verfällt nicht, sondern bleibt bestehen. –> Nach Ablauf von 3 Jahren Der mangels fehlenden Hinweises des Arbeitgebers nicht verfallene Urlaubsanspruch verjährt nicht am 31.12.
Wichtiger Hinweis: Weist die Dienststellenleitung Ihre Kolleginnen und Kollegen in diesen Tagen darauf hin, die restlichen Urlaubstage aus diesem Jahr noch rechtzeitig bis zum 31.12. bzw. zum 31.03. des Folgejahres zu nehmen, droht der Verlust sogar schon zu diesen Daten.
Wann der Urlaub erst am 31.03. des Folgejahres verfällt
Normalerweise verfallen nicht genommene Urlaubstage nach entsprechendem Hinweis der Dienststellenleitung am Ende des Urlaubsjahres. Das ist das Jahr, in dem der Urlaubsanspruch entsteht. Für den Urlaub ist das also der 31.12.. Es gibt aber 2 Ausnahmen:
Ausnahme Nr. 1
Eine Übertragung des restlichen Urlaubs bis zum 31.03. des Folgejahres ist nur möglich, wenn dringende dienstliche (z. B. Arbeitsüberlastung) oder persönliche Gründe (z. B. Krankheit) Ihre Kollegin oder Ihren Kollegen daran gehindert haben, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen (§ 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BurlG).
Ausnahme Nr. 2
Der Tarifvertrag oder eine Dienstvereinbarung sehen eine Urlaubsübertragung in der Regel auf die ersten 3 Monate des Folgejahres, also diesmal bis zum 31.03. des Folgejahres, vor.
Dieses Urlaubsproblem kommt jetzt auch noch auf Sie zu
Neben den restlichen Urlaubsansprüchen Ihrer Kolleginnen und Kollegen beschäftigt Sie als Personalrat jetzt zum Jahresende aber noch ein weiteres Thema: Die Jagd auf die Brückentage im kommenden Jahr.
Mit ein paar Tagen Urlaub lässt sich durch clevere Nutzung der Feiertage nämlich der ein oder andere Kurzurlaub einschieben.
Mein Tipp als Personalratsanwalt: Dieses Thema sorgt in fast jeder Dienststelle jedes Jahr aufs neue für zum Teil handfesten Streit unter Ihren Kolleginnen und Kollegen. Dies können Sie vermeiden, wenn Sie als Personalrat mit Ihrer Dienststellenleitung eine Dienstvereinbarung schließen, nach der auf Dauer keine Kollegin bzw. kein Kollege zu kurz kommt.
Muster: Mit dieser Dienstvereinbarung wird fast jeder Urlaubswunsch erfüllt
Dienstvereinbarung zum Thema Urlaub
zwischen der Dienststelle … und dem Personalrat der Dienststelle … wird vereinbart:
1. Jeder Arbeitnehmer hat die Urlaubswünsche bis zum … in die Urlaubsliste einzutragen, die der Abteilungsleiter für die jeweilige Abteilung bereithält. Sofern erst nach Ablauf der Frist Urlaubswünsche geäußert werden, können sie nur berücksichtigt werden, wenn sie nicht mit den Urlaubswünschen eines Beschäftigten kollidieren, der seinen Wunsch rechtzeitig bekannt gegeben hat. In die Urlaubsliste ist der Hinweis aufzunehmen, dass die Lage des Urlaubs durch den Eintrag für den Arbeitgeber noch nicht verbindlich ist.
2. Widerspricht die Dienststellenleitung den in der Liste genannten Urlaubswünschen nicht spätestens bis zum … gilt der gewünschte Urlaub als genehmigt. Die Dienststellenleitung hat den Urlaub der einzelnen Mitarbeiter in den Urlaubsplan einzutragen.
3. Der Abteilungsleiter hat in Absprache mit den Mitarbeitern der Abteilung und dem Personalrat einen Urlaubsvertretungsplan zu erstellen.
4. Aus dienstlichen Gründen kann in der Zeit vom … bis zum … und vom … bis zum … kein Urlaub genehmigt werden.
5. Die Dienststellenleitung darf dem Urlaubswunsch nicht entsprechen, wenn vorrangige Wünsche anderer Beschäftigter vorliegen und aus dienstlichen Gründen nicht alle Urlaubswünsche berücksichtigt werden können.
6. Unter sozialen Gesichtspunkten hat die Dienststellenleitung insbesondere folgenden Personen in der gewünschten Zeit bevorrechtigt Urlaub zu gewähren:
- Arbeitnehmern mit schulpflichtigen Kindern ist möglichst in den Schulferien Urlaub zu geben.
- Arbeitnehmer mit berufstätigem Ehepartner ist der Urlaub so zu bewilligen, dass sie gemeinsam in Urlaub gehen können.
- Ist ein Arbeitnehmer bei mehreren Arbeitgebern teilzeitbeschäftigt, muss der Urlaubszeitpunkt in den einzelnen Arbeitsverhältnissen abgesprochen werden.
Im Übrigen ist neben dem Alter und dem Familienstand des Mitarbeiters auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen.
7. Kollidieren die Wünsche mehrerer bevorrechtigter Personen, hat die Dienststellenleitung unter Abwägung der sozialen Belange eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Dabei ist Wünschen von Arbeitnehmern, die im letzten Urlaubsjahr nicht berücksichtigt werden konnten, Vorrang einzuräumen. Abgesehen von diesem Gesichtspunkt genießen Beschäftigte mit schulpflichtigen Kindern grundsätzlich Vorrang.
8. Die zeitliche Lage des Urlaubs kann auf Wunsch der Dienststellenleitung aus dringenden dienstlichen Gründen verändert werden, vorausgesetzt, es liegt eine erhebliche Beeinträchtigung des Behördenablaufs vor. Zu den dringenden dienstlichen Gründen zählen insbesondere
- krankheitsbedingte Ausfälle mehrerer Mitarbeiter,
- personelle Engpässe in Saisonzeiten und
- eine erhöhte und unvorhersehbare Antrags- bzw. Auftragslage.
9. Ist der Arbeitnehmer mit einer Änderung der zeitlichen Lage seines Urlaubs nicht einverstanden, verhandeln Dienststellenleitung und Personalrat unter Beachtung der in oben dargestellten Grundsätze über eine Einigung.
10. Diese Dienstvereinbarung tritt mit dem Tage der Unterzeichnung in Kraft und kann von beiden Seiten mit einer Frist von … Monaten gekündigt werden.
Stand (28.11.2022)