Raucherpausen: Darum dürfen Sie nicht mehr mitbestimmen
Bei betrieblichen Rauchverboten bestimmen Sie als Betriebsrat mit. Doch was ist mit Raucherpausen, die der Arbeitgeber einführen möchte? Darüber hatte jetzt ein Gericht zu entscheiden – herausgekommen ist ein überraschendes Urteil.
Betriebsrat: Mitbestimmung nur zur Ordnung im Betrieb
Der Fall: Ein Arbeitgeber hatte mit seinem Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung ein generelles Rauchverbot verhängt. Das Rauchen war nur noch auf dafür eingerichteten Raucherinseln erlaubt. Neun Jahre später erließ der Arbeitgeber – diesmal ohne Beteiligung des Betriebsrats – die Anordnung, dass Rauchen nur noch in den tariflich vorgeschriebenen Pausen erlaubt sei. Der Betriebsrat schaltete das zuständige Arbeitsgericht ein, wo er beantragte, den Arbeitgeber zu verpflichten, die Umsetzung dieser Anordnung zu unterlassen, bis er selber zugestimmt habe. Die alte Betriebsvereinbarung regele nämlich nur, wo geraucht werden dürfe, nicht aber wann.
Das Urteil: Antrag abgewiesen. Womit der Betriebsrat und auch viele Arbeitsrechtler nicht gerechnet hatten: Die Richter meinten, dass die Anweisung des Arbeitgebers zu den Raucherpausen nicht das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) betrifft, sondern das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Der Arbeitgeber durfte die Anweisung also ohne Zustimmung des Betriebsrats erlassen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29.03.2022, 5 TaBV 12/21).
Ordnungsverhalten: Wann Sie als Betriebsrat mitbestimmen
Bei allen Fragen rund um die Ordnung im Betrieb, haben Sie als Betriebsrat ein klares zwingendes Mitbestimmungsrecht (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BetrVG). Das heißt: Als Betriebsrat können Sie bei Regelungen, die die betriebliche Ordnung betreffen, sogar eine Betriebsvereinbarung erzwingen. Dazu gehören alle Vorschriften, die das Verhalten Ihrer Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz
- steuern oder
- beeinflussen
sollen.
Schnell-Check: Wann Sie beim Ordnungsverhalten mitbestimmen
Ihr Arbeitgeber möchte die | Ja | Nein |
Einführung eines Formulars auf denen der Arzt einen Besuch in der Praxis bestätigt (BAG, 21.01.1997, 1 ABR 53/96). | ||
Festlegung von Regeln für das Führen von „Welcome-Back-Gesprächen“ nach einer Krankheit (BAG, 08.11.1994, 1 ABR 22/94). | ||
Einführung einheitlicher Arbeitskleidung zur Förderung des äußeren Erscheinungsbilds der Firma (BAG, 11.06.2002, 1 ABR 46/01). | ||
Ausgestaltung einer bereits bestehenden Dienstkleidungspflicht (BAG, 17.01.2012, 1 ABR 45/10). | ||
Einführung von Taschenkontrollen am Werkstor (BAG, 26.05.1988, 1 ABR 9/87). | ||
Regelungen zur Einführung, Ausgestaltung oder Nutzung eines Werksausweises (BAG, 16.12.1986, 1 ABR 35/85).). | ||
Festlegung der Nutzungsbedingungen für Parkflächen, die der Arbeitgeber Ihren Kolleginnen und Kollegen für das Abstellen ihrer Privatfahrzeuge zur Verfügung stellt – und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitgeber vertraglich zur Überlassung von Parkplätzen verpflichtet war (BAG, 07.12.2012, 1 ABR 63/10). | ||
Radiohören am Arbeitsplatz (BAG, 14.01.1986, 1 ABR 75/83). | ||
Anordnung des Arbeitgebers an Ihre Kolleginnen und Kollegen, Englisch statt Deutsch als Sprache der betrieblichen Kommunikation einzuführen (LAG, Köln, 5 TaBV/08). |
Konnten Sie als Betriebsrat bei einem dieser Punkte „Ja“ ankreuzen, ist das betriebliche Ordnungsverhalten nachweislich betroffen und Sie dürfen Ihre Mitbestimmung – notfalls über die Einigungsstelle – einfordern. Ihre Erfolgsaussichten als Betriebsrat sind in diesen Fällen hoch, da Ihre Mitbestimmung jeweils bereits höchstrichterlich entschieden ist.
Wichtiger Hinweis: Das sollte Sie als Betriebsrat aber nicht davon abhalten, auch in ähnlichen Fällen auf Ihre Mitbestimmungsrechte zu pochen.
Schnell-Check: In diesen Fällen geht es um das Arbeitsverhalten
Das Arbeitsverhalten ist betroffen, wenn … | Ja | Nein |
der Arbeitgeber aufgrund seiner Leitungs- und Organisationsmacht (das so genannte „Direktionsrecht“) konkreter festlegt, | ||
welche Arbeiten auszuführen und | ||
auf welche Art und Weise dies geschehen soll. |
Haben Sie gerade alle Fragen mit „Ja“ beantwortet, ist durch die Anweisung des Arbeitgebers das Arbeitsverhalten betroffen.
Die Unterscheidung zwischen Arbeits- und Ordnungsverhalten ist wichtig, weil nur das Ordnungsverhalten Ihrer Mitbestimmung als Betriebsrat unterliegt.
Wichtiger Hinweis: Wenn es sich also um das Arbeits- statt Ordnungsverhalten handelt, heißt das aber nicht automatisch, dass die arbeitgeberseitige Anordnung nicht Ihrer Mitbestimmung als Betriebsrat unterliegt. Betrifft die Maßnahme des Arbeitgebers nämlich zum Beispiel genauso das Arbeits- wie auch das Ordnungsverhalten, kommt es darauf an, welchen Zweck die Regelung grundsätzlich verfolgt.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Schauen Sie sich also jede Anordnung des Arbeitgebers genauer an. Stellt sich nämlich heraus, dass hauptsächlich das Ordnungsverhalten betroffen ist, können und sollten Sie als Betriebsrat Ihre Mitbestimmungsrechte sofort einfordern.
Schnell-Check: Diese Anordnungen sind zu 100 % mitbestimmungsfrei
Ja | Nein | |
Legt der Arbeitgeber eine betriebsinterne Richtlinie fest, wie Ihre Kolleginnen und Kollegen ihre Arbeitsaufgaben zu erledigen haben? | ||
Ordnet der Arbeitgeber an, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen auf Briefen unter Betreff ihre Vor- und Nachnamen sowie ihre betriebliche Telefonnummer anzugeben haben? | ||
Erstellt der Arbeitgeber eine Stellenbeschreibung? | ||
Lässt der Arbeitgeber bei einem begründeten Verdacht ihre Kolleginnen und Kollegen durch Privatdetektive überwachen, um herauszufinden, ob diese ihre sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Pflichten zu erfüllen? |
Konnten Sie als Betriebsrat eine dieser Fragen mit „Ja“ beantworten, können Sie sicher sein: Diese Maßnahme unterliegt nicht Ihrer Mitbestimmung als Betriebsrat und zählt zum Arbeitsverhalten, denn alle diese Fälle sind bereits höchstrichterlich entschieden.
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