Mehr als 30 Jahre war die Kollegin bereits im öffentlichen Dienst beschäftigt. Am längsten im Arbeitsamt. Bis Ihr Arbeitgeber feststellte, dass sie an 3 Tagen keine einzige Pause, sondern nur Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeit in das Erfassungssystem eingegeben hatte. Ein paar Zigaretten wurden der Kollegin jetzt zum Verhängnis. Nicht mal eine lange Entschuldigung half.
So lief die Kündigung ab
Der Fall: Der Arbeitgeber wollte der Kollegin nämlich fristlos kündigen. Dazu hörte er sie – wie vorgeschrieben – zu seinem Verdacht an. Arbeitszeitbetrug, warf er ihr vor – und bat um Stellungnahme. Was dann folgte, war diese Entschuldigung der Kollegin:
„Ich möchte ausdrücklich betonen, dass es mit sehr leid tut, dass ein solch nachlässiger „Schludrian“ bei mir eingerissen ist.
Ich habe Ihre Mitteilung deshalb sehr ernst genommen und seither jede einzelne Raucherpause ganz genau und minutiös aufgezeichnet.
Ein derartiges Verhalten wird sich mit Sicherheit nicht mehr wiederholen, hiervon können Sie ausgehen.“
Ob die Kollegin beim Verfassen dieser Zeilen schon ahnte, was auf Sie zukommt? Ihr Arbeitgeber ließ sich jedenfalls nicht beeindrucken – und kündigte fristlos.
Das Urteil: Die Kündigung ist wirksam, wie die Richter bereits am 3. Mai entschieden, aber erst jetzt veröffentlicht haben, Ihre harte Meinung schrieben sie der Kollegin nieder:
Auch die hartnäckige Missachtung der Anweisung, bei Raucherpausen auszustempeln, ist geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu begründen. Eine Nikotinsucht mag allenfalls die Anzahl der Raucherpausen erklären, nicht jedoch die Verletzung zu deren Dokumentation.
Bei bewusst falschen Angaben hinsichtlich der Arbeitszeit oder bei mehrfachen nicht unerheblichen Falschaufzeichnungen muss der Arbeitgeber – so die Richter weiter –in der Regel nicht erst vorher eine vergebliche Abmahnung aussprechen. Kurzum: Ein derartiges Fehlverhalten reicht, damit der Arbeitgeber kündigen kann.
Noch nicht einmal ihre lange Beschäftigungszeit konnte der Kollegin den Arbeitsplatz retten. Ihr Verhalten habe strafrechtliche Relevanz. Auf den Punkt gebracht: Die Kollegin hatte ihren Arbeitgeber mit der unterlassenen Angabe ihrer Raucherpausen schlichtweg nach Strich und Faden betrogen. Damit hatte sie das Vertrauen des Arbeitgebers, der allen Kolleginnen und Kollegen bei der Aufzeichnung entgegengebracht hatte, zerstört (LAG Thüringen, veröffentlicht am 26.06.2022, 1 Sa 18/12).
Der erste Gedanke funktioniert nicht
Jetzt denken sie als Betriebsrat wahrschein: Solchen Kündigungen kann man doch durch eine betriebliche Regelung vermeiden. Bloß: So einfach geht das nicht.
Wichtiger Hinweis: Als Betriebsrat dürfen Sie bei Raucherpausen nur eingeschränkt mitbestimmen. Das ist ebenfalls – wie wir von „Betriebsrat heute“ bereits gemeldet haben – erst kürzlich gerichtlich entschieden worden:
In diesem Punkt bestimmen Sie nicht mit
Der Fall: In einem Rostocker Betrieb wies der Arbeitgeber noch einmal auf das generelle Rauchverbot für das komplette Betriebsgelände hin. Nur die Raucherinseln waren davon ausgenommen. Außerdem war das Rauchen nur noch in den tariflich vorgeschriebenen Pausen erlaubt. Der dortige Betriebsrat wehrte sich und pochte auf seine Mitbestimmung.
Das Urteil: Erfolglos. Das Rauchen auf dem Betriebsgelände war bereits in einer Betriebsvereinbarung geregelt. Und die Anordnung, das Rauchen nur in festgelegten Pausen gestattet sei, unterliegt grundsätzlich nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29.03.2022, 5 TaBV 12/21).
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Dieses Urteil auf keinen Fall falsch verstehen. Als Betriebsrat dürfen Sie zwar bei den Pausen nicht mitbestimmen, wohl aber bei einer Raucherregelung für Ihren Betrieb, weil dies das Verhalten Ihrer Kolleginnen und Kollegen im Betrieb und die die betriebliche Ordnung betrifft (§ 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG). Daneben können Sie außerdem noch mit dem betrieblichen Gesundheitsschutz argumentieren. Falls Ihr Arbeitgeber also im Alleingang ein Rauchverbot verhängt, sollten Sie ihm mit diesem Schreiben in die Parade fahren:
Muster: So erinnern Sie Ihren Chef an Ihre Rechte
Betriebsrat
der Firma …
An die Geschäftsleitung
im Hause
Rauchverbot
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben mit Schreiben vom … für den gesamten Betrieb ein absolutes Rauchverbot erlassen, ohne das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu beachten.
Bei dem Verbot handelt es sich um eine Angelegenheit, die die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeitnehmer betrifft. Somit hätten Sie vor Ausspruch des Verbots die Zustimmung des Betriebsrats einholen müssen.
Natürlich begrüßen und unterstützen wir es, dass die Geschäftsleitung den Schutz der zahlreichen Nichtraucher im Betrieb erhöhen und damit einen Beitrag zum Gesundheitsschutz der Belegschaft leisten will.
Dennoch hat auch die Gruppe der Raucher Rechte. Auf alle Fälle muss die Gelegenheit gegeben werden, in bestimmten Räumen und zu bestimmten Zeiten (z. B. in Pausen) rauchen zu können. Um den Betriebsfrieden wiederherzustellen, schlagen wir vor, Ihnen unverzüglich einen Entwurf über eine Betriebsvereinbarung zu unterbreiten, die im Einzelnen regelt, wo wann geraucht werden darf.
Wir hoffen sehr, dass eine Vereinbarung auch in Ihrem Interesse ist, da sie klare Regeln schafft, an die sich alle Mitarbeiter halten müssen, wenn sie nicht arbeitsrechtliche Konsequenzen befürchten müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift
Betriebsratsvorsitzende(r)
Näheres zum Thema Raucherpausen finden Sie hier.
Sofortige Antworten auf alle Fragen zum Thema Betriebsrat finden Sie hier. Bei Betriebsrat heute finden Sie alle aktuellen Entwicklungen die Sie für Sie als Betriebsrat notwendig sind kompakt dargestellt. Mit vielen Hilfen, Checklisten, Betriebsvereinbarungen und Mustern. Direkt umsetzbar in die Praxis. Von Praktikern für Praktiker. Klicken Sie hier, um noch heute Ihren kostenlosen Gratistest zu starten und Sie werden sehen wie groß die Hilfe ist, die Betriebsrat heute Ihnen geben wird.