Digitales Arbeiten: Das riecht nach Freiheit und Abenteuer. Und genau das ist es auch! Gibt Ihr Arbeitgeber Ihren Kolleginnen und Kollegen viel Freiheit, trifft er damit genau den Zeitgeist der neuen Arbeitnehmer-Generation. Klar ist aber auch: Was für Ihre Kolleginnen und Kollegen die große Freiheit ist, ist für Ihren Arbeitgeber – und auch für Sie als Betriebsrat – ein genauso großes Abenteuer. Lassen Sie sich doch einfach darauf ein.
Rasante Entwicklung in 5 Jahren
Während vor fünf Jahren nur in 3,7 Prozent aller Online-Stellenangebote die Möglichkeit zum digitalen Arbeiten im Homeoffice angeboten wurde, stieg das Angebot bis 2022 kräftig auf 16,8 Prozent. Doch auch nach dem Ende der Pandemie wächst das Angebot für das „Remote-Arbeiten“ weiter, wie die Bertelsmann Stiftung mitteilt. Mittlerweile liegt es bei 17,6 Prozent der untersuchten Online-Stellenanzeigen.
Viel Flexibilität sorgt für viele Probleme
Gerade im Sommerurlaub wächst dieser Wunsch bei vielen Kolleginnen und Kollegen wieder: Arbeiten am Strand, auf dem Balkon oder im Freibad. Wer will da schon was von Arbeitszeit hören? Digitales Arbeiten führt schnell dazu, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen sich nicht mehr an die gesetzlichen Arbeitszeiten halten. Kein Wunder, denn diese Regelungen stammen aus der Steinzeit der Digitalisierung. Die Flexibilität Ihrer Kolleginnen und Kollegen stellt Ihren Arbeitgeber aber vor 3 große Probleme. Und alle haben mit der Arbeitszeit zu tun.
Das sind die 3 Probleme beim digitalen Arbeiten
Problem Nr. 1 | Die Gewerkschaften laufen Sturm gegen die digitale Arbeitswelt, weil die gesetzlichen Arbeitszeiten nicht mehr eingehalten werden. |
Problem Nr. 2 | Beim Thema Arbeit 4.0 mischen Sie als Betriebsrat kräftig mit. |
Problem Nr. 3 | Hält Ihr Arbeitgeber die gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit nicht ein, drohen hohe Strafen. |
15.000 €: Es kann sogar noch schlimmer kommen
Je nach Schwere des Arbeitszeit-Verstoßes können für Ihren Arbeitgeber bei der digitalen Beschäftigung bis zu 15.000 € Strafe oder 6 Monate im Gefängnis fällig werden!
4 Regeln: Das gilt, wenn Ihre Kollegen nach Feierabend arbeiten
Regel Nr. 1 | Jede Einsatzzeit ist auf die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche anzurechnen (§ 3 ArbZG). |
Regel Nr. 2 | Einsätze außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit fuhren zu einer Unterbrechung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten von 11 Stunden (§ 5 ArbZG). |
Regel Nr. 3 | Es besteht eine Aufzeichnungspflicht für diese Arbeitszeitenin der Freizeit (§ 16 ArbZG). |
Regel Nr. 4 | Es liegt in der Verantwortung Ihres Arbeitgebers, die Einhaltung der Arbeitszeitgrenzen zu kontrollieren. Verstöße hiergegen können als Ordnungswidrigkeit oder gar als Straftat geahndet werden (§§ 22, 23 ArbZG). |
Der einfachste Weg die Arbeit nach Feierabend zu stoppen
Beispiel: Ab 18 Uhr ist Schluss. Als Betriebsrat möchten Sie verhindern, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen bis spät in die Nacht und an den Wochenenden per Handy aktiv sind und ihre E-Mails abfragen oder beantworten.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Reden Sie mit Ihrem Arbeitgeber, dass dieser das für sorgt, dass der Server in Ihrer Firma abends ab 18 Uhr nicht mehr für Ihre Kolleginnen und Kollegen erreichbar ist. Das einfachste Mittel, um die ständige Erreichbarkeit zu unterbinden, ist die technische Trennung von Freizeit und Beruf. So ist sichergestellt, dass keine Kollegin und kein Kollege abends oder am Wochenende heimlich seine Arbeit aufnimmt ohne dass Sie als Betriebsrat oder Ihr Arbeitgeber davon wissen.
Der einfachste Weg die Arbeit nach Feierabend zu stoppen
Alternativ kann Ihr Arbeitgeber das Arbeiten außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit natürlich auch
- schlicht verbieten und
- parallel dazu mittels technischer Hilfsmittel unterbinden, indem er zeitlich oder persönlich eine begrenzte Sperre des Internets veranlasst.
Wichtiger Hinweis! Ein Verbot allein reicht aber nicht. Zusätzlich muss überwacht werden, dass sich alle Ihre Kolleginnen und Kollegen daranhalten.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Falls Sie als Betriebsrat nicht sicher sind, ob Ihre Kolleginnen und Kollegen außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig werden, sollten Sie Ihren Arbeitgeber auffordern, dies zu überprüfen. Am einfachsten geht das, indem er Ihre Kolleginnen und Kollegen für einen Monat die
- Zeit,
- Art und
- Dauer der Einsatzzeiten
aufzuzeichnen. Lassen Sie sich anschließend die Ergebnisse von Ihrem Arbeitgeber vorlegen.
Die Grenzen der Arbeitszeit – auch im digitalen Zeitalter
Die gesetzlich festgelegten Grenzen bei der Arbeitszeit gelten natürlich auch dann, wenn Ihre Kolleginnen und Kollegen digital arbeiten – egal, ob zu Hause im Home-Office, am Strand oder sonst wo.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Nutzen Sie als Betriebsrat also Ihr Kontrollrecht und überwachen Sie, ob die gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit auch eingehalten werden, wenn Ihre Kolleginnen und Kollegen nicht im Betrieb sonders anderswo ihrer vertraglichen geschuldeten Tätigkeit nachgehen.
Grenze Nr. 1: Nach 10 Stunden ist immer Schluss
Grundsätzlich gilt für alle Kolleginnen und Kollegen auch bei digitaler Arbeit ohne feststehenden Arbeitsplatz eine tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden.
Wichtiger Hinweis: Eine Verlängerung auf bis zu zehn Stunden ist möglich, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich geleistet werden.
Praktisch heißt das, dass ausnahmsweise bis zu 60 Stunden pro Woche erlaubt sind, im Mittel aber höchstens 48 Stunden erreicht werden dürfen.
Grenze Nr. 2: Für 11 Stunden Ruhe
Ihre Kolleginnen und Kollegen müssen zwischen zwei Arbeitseinsätzen eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben (§ 5 ArbZG).
Grenze Nr. 3: Sonn- und Feiertage sind frei
An Sonn- und Feiertagen haben alle Kolleginnen und Kollegen stets frei (§ 9 Abs. 1 ArbZG). Eine Ausnahme von dieser Grenze gilt nur für die Betriebe, die im Gesetz ausdrücklich genannt sind, wie zum Beispiel
- Krankenhäuser,
- Gastronomie-Betriebe oder
- in der Landwirtschaft (§ 10 ArbZG).
Überstunden: Wann digital länger gearbeitet werden muss
Ihre Kolleginnen und Kollegen, die digital beschäftigt sind, müssen nur dann Überstunden leisten, wenn
- es sich um einen dringenden und unvorhergesehenen Notfall handelt oder
- die Verpflichtung zur Mehrarbeit bereits im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag festgelegt worden ist.
Stand (15.07.2024)