Alle Fälle auf einen Blick: Wie Sie als Betriebsrat beim Sonderurlaub mitbestimmen
20 Tage! So viel Urlaub steht den meisten Ihrer Kolleginnen und Kollegen in Deutschland schon gesetzlich zu. Die meisten Tarifverträge schrauben den Urlaubsanspruch auf 30 Tage und noch mehr nach oben. Doch das ist noch nicht alles: Hinzu kommen viele zusätzliche freie Tage, zum Beispiel für Arztbesuche, Familienfeiern oder Umzüge. So kommen schnell noch einmal ein oder zwei Wochen Sonderurlaub zusammen. Viele Arbeitgeber ärgert das. Höchste Zeit für eine betriebliche Lösung! Denn als Betriebsrat reden Sie beim Sonderurlaub ordentlich mit.
Darum ist der Sonderurlaub eigentlich gar kein Urlaub
Urlaub klingt immer gut. Auch für Sie als Betriebsrat. Egal, ob es um den gesetzlichen oder tariflichen Jahresurlaub oder den Sonderurlaub zu besonderen Anlässe geht: Als Betriebsrat möchten Sie so viel möglich mitreden. Und das können Sie an vielen Stellen auch.
Wo Sie als Betriebsrat mitreden
Mitbestimmen dürfen Sie als Betriebsrat,
- wenn Ihr Arbeitgeber für Ihren Betrieb allgemeine Urlaubsgrundsätze – auch für den Sonderurlaub – aufstellen möchte oder
- wenn zwischen dem Arbeitgeber und Ihrer Kollegin oder Ihrem Kollegen kein Einverständnis über die zeitliche Lage des Sonderurlaubs erzielen lässt.
Mitbestimmung: Beim Sonderurlaub wird’s komplizierter
Unsicherheiten über Ihre Mitbestimmungsrechte als Betriebsrat beim Sonderurlaub sind darauf zurückzuführen, dass es eigentlich kein Urlaub, sondern nur eine bezahlte Freistellung ist, die Ihr Arbeitgeber Ihrer Kollegin oder Ihrem Kollegen zu besonderen Anlässen gewährt (§ 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Voraussetzung für eine solche Freistellung ist, dass Ihr Mitarbeiter
- für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit, also in der Regel für nicht mehr als 1 oder 2 Tage,
- aus persönlichen Gründen, wie zum Beispiel bei einem Familienfest,
- ohne sein Verschulden
verhindert ist, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
Wichtiger Hinweis: Ob Ihr Arbeitgeber eine Kollegin oder einen Kollegen zu einem solchen freistellt, ist eine individuelle Angelegenheit zwischen Ihrem Arbeitgeber und der Kollegin oder dem Kollegen, für die es in vielen Arbeitsverträgen eine klare Regelung gibt.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Viele Arbeitgeber schrecken in der Praxis aber vor seitenlangen Arbeitsverträgen mit vielen Klauseln, wie zum Beispiel auch zum Sonderurlaub, zurück. Fehlen diese arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, öffnet dies für Sie als Betriebsrat die Tür zu einer betrieblichen Lösung für alle Kolleginnen und Kollegen – in Form einer Betriebsvereinbarung.
Wie wichtig eine solche Betriebsvereinbarung ist, in der Urlaubs- und Sonderurlaubsregeln – an die sich auch der Arbeitgeber halten muss – festgelegt werden, zeigt der folgende Beispielsfall:
Mitbestimmung: Beim Sonderurlaub wird’s komplizierter
Der Fall: Ein Arbeitgeber hatte den Urlaubsantrag eines Kollegen abgelehnt. Seine Begründung: In Abstimmung mit dem Betriebsrat hätten schon andere Kolleginnen und Kollegen in dem gewünschten Zeitraum Urlaub bekommen. Das akzeptierte der Mitarbeiter nicht. Schließlich hatte er schulpflichtige Kinder. Er beantragte beim zuständigen Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung. Sein Ziel: Das Gericht sollte ihm den Urlaub kurzfristig erteilen.
Das Urteil: Mit Erfolg! Der Kollege hat seinen Urlaub, so wie er ihn beantragt hatte, bekommen. Aus gutem Grund: Der Arbeitgeber hatte im Prozess nicht genau erklärt, welche Kollegin oder welchen Kollegen er genau und weshalb bereits Urlaub gewährt hatte (Arbeitsgericht Köln, Beschluss vom 02.07.2014, Aktenzeichen: 14 Ga 65/14).
Wichtiger Hinweis: Lehnt Ihr Arbeitgeber den Urlaubsantrag einer Kollegin oder eines Kollegen ab, sollte er hierfür nicht nur gute Gründe haben, sondern diese auch mitteilen. Das gilt auch für den Sonderurlaub. Am besten regeln Sie die Anlässe, in denen Ihr Arbeitgeber „Nein“ zu einem Urlaubsantrag sagen kann, in der Betriebsvereinbarung gleich mit.
Sonderurlaub: In diesen Fällen gibt’s extra frei
Im Gegensatz zum Urlaub ist der Sonderurlaub aller anlassbezogen. Das heißt, es muss – anders als beim normalen Urlaub – einen klaren Grund geben, warum die Kollegin oder der Kollege für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit seinem Arbeitsplatz fernbleiben möchte. Hier sind die wichtigsten:
Arztbesuch
Grundsätzlich sind Ihre Kolleginnen und Kollegen verpflichtet, ihre Arztbesuche in ihre Freizeit zu legen (BAG, 16.12.1993, 6 AZR 236/93). Ihr Arbeitgeber muss allerdings einen Arbeitnehmer, der nicht arbeitsunfähig krank ist, aber auch dann während der Arbeitszeit für einen Arztbesuch bezahlt freistellen, wenn der Besuch oder die medizinische Behandlung nur während der Arbeitszeit möglich ist.
Wichtiger Hinweis: Dazu kann es schon reichen, wenn der behandelnde Arzt keinen Termin außerhalb der Arbeitszeit der Kollegin oder des Kollegen mehr frei hat.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Gerade Kolleginnen und Kollegen, die mit dem Arbeitgeber oder ihrem Vorgesetzten schon häufiger Diskussionen über einen Arztbesuch zur Arbeitszeit hatten, sollten Sie als Betriebsrat empfehlen, sich im Vorfeld des Termins eine schriftliche Bestätigung des Arztes geben zu lassen, dass die Behandlung aus organisatorischen Gründen nicht zu einem Zeitpunkt außerhalb der Arbeitszeit möglich ist.
Ärztliche Untersuchung von Jugendlichen/Auszubildenden
Ihr Arbeitgeber ist verpflichtet, ihren jugendlichen Kolleginnen und Kollegen sowie Auszubildenden für die erforderlichen ärztlichen Untersuchungen freizustellen.
Außergewöhnliche familiäre Verhältnisse
Seltene Familienfeiern wie,
- die Hochzeit des eigenen Kindes einer Kollegin oder eines Kollegen,
- seine eigene Silberhochzeit oder
- die goldene Hochzeit seiner Eltern
verschaffen Ihrer Kollegin oder Ihrem Kollegen einen Anspruch auf Sonderurlaub. Das gilt übrigens auch für die eigene Hochzeit: Meist sind 1 bis 2 freie Arbeitstage drin, wenn die Hochzeitsglocken läuten. Das liegt letztlich im Ermessen des Arbeitgebers.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Gerade die familiärem Verhältnisse sind es, bei denen der von Arbeitgeber gewährte Sonderurlaub aus Sicht Ihrer Kolleginnen und Kollegen zu kurz erscheint. Als Betriebsrat können Sie eine zufriedenstellende Lösung für alle Beteiligten in die Betriebsvereinbarung zu diesem Thema einarbeiten.
Behördengänge
Für Behördengänge kann Ihre Kollegin oder Ihr Kollege keine bezahlte Freistellung von der Arbeit verlangen (BAG, 04.09.1985, 7 AZR 249/83).
Wichtiger Hinweis: Jedenfalls so lange, wie Sie sich als Betriebsrat nicht mit Ihrem Arbeitgeber geeinigt und eine entsprechende Freistellungsreglung in die Betriebsvereinbarung aufgenommen haben.
Ehrenamtliche Tätigkeiten
Die Wahrnehmung eines Ehrenamts ist grundsätzlich eine Privatangelegenheit. Ihr Arbeitgeber muss Ihre Kollegin oder Ihren Kollegen deshalb für solche Tätigkeiten nicht bezahlt freistellen.
Ausnahmen sind ehrenamtliche Tätigkeiten in einer Einrichtung des Katastrophenschutzes wie etwa dem Technischen Hilfswerk (THW). Weiter müssen Sie Mitarbeiter, die als ehrenamtliche Richter (Schöffen) berufen werden, die entsprechende Freizeit gewähren. Dabei gilt: Der ehrenamtliche Richter hat – sofern das für das Studium der Akten notwendig ist – auch am Tag vor der Sitzung Anspruch auf Freistellung (LAG Bremen, 14.06.1190, 3 Sa 132/89).
Erkrankung naher Angehöriger
Wird ein naher Angehöriger Ihrer Kollegin oder Ihres Kollegen krank, gilt das Gleiche wie bei der Pflege kranker Kinder: Auch in diesem Fall besteht ein Anspruch, zehn Tage bezahlt von der Arbeit freigestellt zu werden. Er muss aber einen ärztlichen Nachweis erbringen, dass die Pflege des Kranken unerlässlich ist und nur durch den Mitarbeiter erfolgen kann, weil eine andere Person für diesen Zweck kurzfristig nicht gefunden werden kann. Bis zu sechs Monate unbezahlt frei nehmen kann der Arbeitnehmer, um die Pflege des pflegebedürftigen Angehörigen zu übernehmen.
Geburt eines Kindes
Bekommt die Ehefrau eines Kollegen ein Kind, erhält der Vater mindestens einen Arbeitstag bezahlten Sonderurlaub.
Wichtiger Hinweis: Bei der Niederkunft der Lebensgefährtin besteht hingegen kein bezahlter Freistellungsanspruch (BAG, 18.01.2001, 6 AZR 492/99).
Stellensuche
Wurde einer Kollegin oder einem Kollegen gekündigt bzw. hat sie bzw. er das Arbeitsverhältnis gekündigt, muss ihm eine „angemessene Zeit“ für die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle gewährt werden, wenn diese nur während der Arbeitszeit stattfinden kann und Ihre Kollegin oder Ihr Kollege keinen Urlaubsanspruch mehr hat.
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