Befristete Arbeitsverhältnisse: Die Unterschrift per Docu-Sign reicht wohl nicht
Manche Jobs sind einfach nur hart. Ein gutes Beispiel: Fahrradkuriere. Solche Kolleginnen und Kollegen müssen bei Wind und Wetter in die Pedale treten, um die Fracht so schnell wie möglich zum Kunden zu bringen. Das führt in vielen Zustellbetrieben zu einem schnellen Personalwechsel. Vor allem junge Unternehmen greifen dann gern zu neuen Methoden, um die Einstellung neuer Arbeitnehmer effizienter unter Dach und Fach zu bringen. Doch nicht alles, was neu ist, ist auch gut.
Unterschrift mit dem Finger auf dem Display
Der Fall: Ein Berliner Lieferdienst setzte auf moderne Technik: Die Firma ging mit insgesamt 12 Kolleginnen und Kollegen befristete Arbeitsverhältnisse ein. Die entsprechenden Verträge unterschrieben die neuen Beschäftigten per Docu Sign.
Dabei handelt es sich um ein vor allem in den USA weit verbreitetes elektronisches Systems, mit demDokumente auf jedem geeigneten Gerät, also zum Beispiel auf
- dem Smart-Phone,
- einem Tablet oder
- dem Notebook
sofort unterzeichnet werden können. Dazu ist nicht einmal ein Stift erforderlich. Die Unterschrift erfolgt vielmehr mit dem Finger, der über das entsprechende Feld im Dokument streicht, den Namenszug speichert und abschließend das Dokument an die andere Vertragspartei – in diesem Fall den Arbeitgeber – versendet.
Von den 12 Kolleginnen und Kollegen, die nun vor dem Arbeitsgericht Berlin klagen, wurde der befristete Arbeitsvertrag mit diesem elektronischen System unterschrieben. Sie alle verlangen von dem Lieferdienst nun eine unbefristete Beschäftigung.
Das Urteil: Es gibt noch keins. Im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Berlin konnten sich die 12 Kolleginnen und Kollegen noch nicht mit ihrem Arbeitgeber einigen. Der Umstand, dass das Gericht zu diesem Fall vorab eine Presseerklärung über das Ergebnis des Gütetermins herausgegeben hat, zeigt, wie brisant und von welcher Reichweite dieser Fall ist (Arbeitsgericht Berlin, Pressemitteilung vom 06.09.2021).
Vertragsunterschrift: Das ist die Rechtslage
Die wirksame Befristung eines Arbeitsverhältnisses setzt unter anderem voraus, dass
- die Befristungsvereinbarung vor Aufnahme der Tätigkeit
- zwischen den beiden Arbeitsvertragsparteien
- schriftlich
abgeschlossen worden wird.
Und genau da steckt das Problem im Falle des Lieferdienstes Gorilla: Was als schriftlich vereinbart ist, und was nicht, ist nämlich gesetzlich ganz klar geregelt:
Ist durch das Gesetz – wie beim Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen – die schriftliche Form vorgeschrieben, muss der Arbeitsvertrag als Urkunde von den jeweiligen Kolleginnen und Kollegen
- eigenhändig
- durch Namensunterschrift oder
- mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden (§ 126 Abs. 1 BGB).
Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich aus dem Gesetz nichts Anderes ergibt (§ 126 BGB).
Was jetzt passieren kann
Das wirft in dem Berliner Verfahren gleich zwei Fragen auf:
- Ist eine Unterschrift auf einem Bildschirm eigenhändig?
- Erlaubt das Teilzeit- und Befristungsgesetz neben der schriftlichen auch die elektronische Form?
Welche Antworten die Richter auf diese Fragen finden, ist alles andere als sicher. Es bestehen aber schon berechtigte Zweifel daran, dass es sich bei den mit Hilfe von Docu Sign erteilten Unterschriften um eigenhändige Unterschriften handelt, weil diese auf einem physischen Dokument – also in der Regel auf Papier – abgegeben werden müssen.
Kommt das Arbeitsgericht zu diesem Ergebnis, sind die Befristungsvereinbarungen in den einzelnen Arbeitsverträgen, die der Lieferdienst mit den 12 Kolleginnen und Kollegen abgeschlossen hat, unwirksam. Allein die unwirksame Befristungsvereinbarung macht aber noch nicht den ganzen Arbeitsvertrag unwirksam. Die Folge: Es besteht mangels einer fehlenden, weil unwirksamen Befristungsabrede ein unbefristeter Arbeitsvertrag. Die Kolleginnen und Kollegen müssten – wie es mit der Klage verfolgt wird – also unbefristet weiterbeschäftigt werden. Die Arbeitsverhältnisse würden also nicht mit Ablauf der Befristungszeit enden, sondern müssten unter Berücksichtigung eines möglichen Kündigungsschutzes erst gekündigt werden.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Wenden sich Kolleginnen und Kollegen, deren Befristungszeit bald abläuft und die ihre Arbeitsverträge mit Docu Sign oder einem ähnlichen elektronischen System abgeschlossen haben, hilfesuchend an Sie als Betriebsrat, gibt’s nur einen Rat: Die Kolleginnen und Kollegen sollten sich an einen Anwalt oder den gewerkschaftlichen Rechtsschutz wenden und die Erfolgsaussichten einer Entfristungsklage prüfen lassen.
Näheres zum Thema befristete Arbeitsverträge finden Sie hier.
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