Teilzeitkräfte müssen oft Überstunden machen. Dafür bekommen sie aber oft nicht die gleichen Zuschläge, wie Vollzeitbeschäftigte. Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch rechtswidrig. Die höchsten deutschen Arbeitsrichter machten dieser Praxis jetzt ein Ende.
30 % Zuschlag: Aber nur für Vollzeitbeschäftigte
Der Fall: Eine Pflegekraft, die bei einem ambulanten Dialyseanbieter in Teilzeit arbeitete, hatte geklagt. Der Tarifvertrag des Unternehmens sah einen Zuschlag von 30 Prozent für Überstunden vor. Die Voraussetzung: Den Zuschlag gab es erst dann, wenn die reguläre Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten wurde. Die Kollegin, die 40 Prozent einer Vollzeitstelle abdeckte, hatte erhebliche Überstunden angesammelt, entsprechend der tarifvertraglichen Regelung aber weder Zuschläge dafür ausgezahlt bekommen noch Zeitgutschriften für ihr Arbeitszeitkonto erhalten. Sie argumentierte, dass diese Regelung sie benachteilige – sowohl als Teilzeitkraft als auch als Frau, da der Großteil der Teilzeitbeschäftigten im Unternehmen weiblich war. Sie verlangte deshalb eine Entschädigung in Höhe eines Vierteljahresverdienstes (§ 15 Abs. 2 AGG).
Grundsatzurteil: Überstundenbezahlung von Teilzeitkräften
Das Urteil: Die teilzeitbeschäftigte Kollegin bekam Recht. Das höchste deutsche Arbeitsgericht stellt mit diesem Grundsatzurteil ein für alle Mal klar: Die Vergütung von Überstunden darf nicht pauschal davon abhängig gemacht werden darf, dass die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten wird. Eine solche tarifliche Regelung diskriminiert nach Meinung der Erfurter Richter eindeutig Teilzeitbeschäftigte. Etwas anderes gilt – so das Gericht – nur dann, wenn es für die Ungleichbehandlung sachliche Gründe gibt. Im vorliegenden Fall konnte jedoch keine solche Begründung gefunden werden, so die Richter (BAG, Urteil vom 05.12.2024 – 8 AZR 370/20).
Vor allem weibliche Kollegin werden benachteiligt
Darüber hinaus entschied das Gericht, dass das Fehlen sachlicher Gründe für die bisherige Zuschlagsregelung auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellt. Die Begründung: Wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigte erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind, stellte das eine „mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts“ dar.
Nur 250 € statt 4.500 € Entschädigung
Einen kleinen Wermutstropfen gab es aber dennoch für die Klägerin: Statt der geforderten 4.500 € gab es nur eine Entschädigung von 250 €, um den Arbeitgeber künftig anzuhalten, weder Teilzeitkräfte noch weibliche Arbeitnehmer zu benachteiligen.
Wie Tarifverträge Teilzeitbeschäftigte diskriminieren
Ein Urteil mit erheblichen Folgen für über 12 Millionen Teilzeitkräfte in Deutschland. Denn das höchste deutsche Gericht für Arbeitssachen hat festgestellt, dass der hier zuständige Tarifvertrag gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten verstößt (§ 4 Abs. 1 TzBfG).
Wichtiger Hinweis: Für Ihre Praxis als Betriebsrat bedeutet das, dass ein Tarifvertrag insoweit unwirksam ist, wie er bei Teilzeitbeschäftigung keine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsieht. Die sogenannte Vollzeitquote bei Überstundenzuschlägen ist aber in vielen Tarifverträgen enthalten und wird deshalb jetzt auf den Prüfstand kommen.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Für Ihre Kollegen und vor allem für Ihre Kolleginnen heißt es nun: Tarifverträge prüfen! Sie sollten dabei als Personalrat natürlich unterstützen, denn hier geht es nicht nur um Geld, sondern auch um Gerechtigkeit.
Stand (02.01.2025)