2.805.000. So viele Menschen waren in Deutschland im Januar arbeitslos. Nur noch. Die Zahlen zeigen: Es wird immer schwerer für Ihren Arbeitgeber, Personal zu finden. Also müssen die, die da sind, mehr arbeiten, finden zahlreiche Chefs. Viele Kolleginnen und Kollegen haben da noch nicht einmal etwas dagegen. Aber der Arbeitsvertrag. Und Sie als Betriebsrat.
Darum sollten Sie jetzt genau hinschauen
Denn viele Arbeitgeber zahlen gerade die Inflationsprämie von 3.000 € aus – und verbinden damit die Forderung, dass nun auch mehr gearbeitet werden muss. Dabei hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Als Betriebsrat sollten Sie also genau hingucken, denn bei der Anordnung von Überstunden bestimmen Sie mit.
Darum sollten Sie jetzt genau hinschauen
Einfach Überstunden anordnen, wenn Ihr Arbeitgeber welche braucht. Das hört sich einfach an, ist aber alles andere als das. Denn: Keine Kollegin und kein Kollege in Ihrem Betrieb müssen Überstunden leisten. Und das Direktionsrecht des Arbeitgebers gibt ihm nicht die Chance, auch nur einen von Ihren Kolleginnen und Kollegen zur Arbeit nach Feierabend zu zwingen (§ 106 Gewerbeordnung (GewO).
Was Ihr Arbeitgeber braucht, um Überstunden anordnen zu können
Das heißt: Bevor Ihr Arbeitgeber Überstunden anordnet, muss er dafür eine Rechtsgrundlage finden. Die lässt sich
- im geltenden Tarifvertrag,
- in einer eventuell bestehenden Betriebsvereinbarung oder
- im individuellen Arbeitsvertrag der Kollegin oder des Kollegen
finden.
Wichtiger Hinweis: Fehlt es an einer solchen Rechtsgrundlage, darf Ihr Arbeitgeber keine Überstunden anordnen. Deshalb versuchen viele Chefs durch eine Änderung des Arbeitsvertrags eine rechtliche Grundlage für die Anordnung von Überstunden zu schaffen.
Kostenlose Überstunden: Der Traum der Arbeitgeber, der wahr werden kann
Ihr Arbeitgeber kann Ihre Kolleginnen und Kollegen sogar kostenlos mehr, also über die normale Arbeitszeit hinaus arbeiten lassen. Alles, was er dazu braucht, ist – eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag.
Wichtiger Hinweis: Allerdings dürfen Ihre Kolleginnen und Kollegen im Arbeitsvertrag nicht verpflichten werden, in unbegrenzter Anzahl kostenlose Überstunden zu leisten. Einen genauen Grenzwert gibt es nicht. Allerdings gehen viele Arbeitsgerichte davon aus, dass die Zahl, der gemäß Arbeitsvertrag zu leistenden Überstunden 10 % der üblichen wöchentlichen Arbeitszeit nicht überschreiten darf.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Kolleginnen und Kollegen, die über diese Grenze hinaus Überstunden leisten, können vom Arbeitgeber eine Bezahlung verlangen.
Das gilt aber nicht für alle Kolleginnen und Kollegen: In manchen Fällen kann die Leistung von Überstunden bereits mit dem Gehalt abgegolten sein. Das ist zum Beispiel der Fall, bei
- leitenden Angestellte und
- Kolleginnen und Kollegen, die deutlich besser vergütet werden, als andere.
Wichtiger Hinweis: Die Höhe des Gehalts, bei dem die Arbeitsgerichte davon ausgehen, dass bereits Überstunden mit der regulären Vergütung abgegolten sind, richtet sich nach der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese ist um 01.01.2024 gestiegen und beträgt jetzt 62.100 € pro Jahr, bzw. 5.175 € pro Monat.
Ohne Regelung geht gar nichts
Das Problem: In den laufenden Arbeitsvertrag mit Ihrer Kollegin oder Ihrem Kollegen kann der Arbeitgeber nicht eingreifen und eine zusätzliche Klausel aufnehmen. Die dort vereinbarten Arbeitsbedingungen gelten nämlich. Und gibt’s keine Regelung über Überstunden, kann der Chef auch keine verlangen. Ob bezahlt oder kostenlos. Unterschrieben ist unterschrieben.
Die Lösung: Ein Zusatz
Was Ihr Arbeitgeber aber kann, ist dies: Er kann mit jeder Kollegin und jedem Kollegen eine kurze Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag schließen, indem er sich das Recht auf kostenlose Überstunden sichert. Da es sich dabei um eine individuelle Absprache zwischen dem Arbeitgeber und Ihrer Kollegin oder Ihrem Kollegen handelt, bei der Sie als Betriebsrat kein Mitspracherecht haben.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Versucht Ihr Arbeitgeber das auch, sollten bei Ihnen als Betriebsrat die Alarmsirenen schrillen. Die meisten Kolleginnen und Kollegen vergessen nämlich bei der Änderung ihres Arbeitsvertrags eins: Zu Verhandeln. Das können Sie als Betriebsrat Ihren Kolleginnen und Kollegen abnehmen, indem Sie eine Betriebsvereinbarung anbieten, die Überstunden regelt. Zum Beispiel im Gegenzug zu einer besseren Bezahlung der Überstunden.
Mitbestimmungsrecht: So reden Sie als Betriebsrat bei Überstunden mit
Bei der Anordnung von Überstunden führt kein Weg an Ihnen als Betriebsrat vorbei. Denn Ihr Arbeitgeber darf keine Überstunden anordnen, ohne dass Sie als Betriebsrat zugestimmt haben.
Wichtiger Hinweis: Eine Ausnahme gilt nur in betrieblichen Notfällen, wie zum Beispiel bei einer Wetterkatastrophe oder wenn ohne die Leistung von Überstunden die Gefahr besteht, dass Ware Schaden nimmt oder verloren geht (zum Beispiel beim Ausladen eines Tiefkühltransporters nach Feierabend).
Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in den folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:……Verübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG |
Überstunden: Ihre Kolleginnen und Kollegen müssen informiert werden
Haben Sie als Betriebsrat der Anordnung von Überstunden durch den Arbeitgeber zugestimmt, müssen natürlich noch Ihre Kolleginnen und Kollegen informiert werden. Zum Beispiel so:
Muster: Informationsschreiben Überstunden
Herr/Frau …
…, den …
Anordnung von Überstunden
Sehr geehrte(r) Frau/Herr …
am … steht der diesjährige Jahresabschluss für das Jahr … an. Die rechtzeitige Erstellung setzt die Leistung von Überstunden voraus.
Wir informieren Sie deshalb darüber, dass Sie
am … in der Zeit von … bis … und
am … in der Zeit von … bis …
zu Überstunden herangezogen werden.
O Durch das infolge der Überstunden entstehende Gleitzeitguthaben wird grundsätzlich in Freizeit abgegolten.
O Die Überstunden werden mit … € pro Stunde abgegolten.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Geschäftsführung
Wichtiger Hinweis: Diese Information darf – sofern es sich nicht um einen betrieblichen Notfall, wie zum Beispiel eine drohende Überflutung des Betriebs handelt – auf keinen Fall auf den letzten Drücker erfolgen. Ihre Kolleginnen und Kollegen müssen rechtzeitig über die Überstunden informiert werden. Als Maßstab gilt hier die Anordnungsfrist für Rufbereitschaft. Danach müssen Ihre Kolleginnen und Kollegen spätestens vier Tage vorher über die Notwendigkeit und den Zeitpunkt der Überstunden in Kenntnis gesetzt werden (§ 12 TzBfG).
Stand (11.03.2024)