Digital Arbeiten ist beliebt, besonders bei Ihren schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen, die damit zu Hause in Ihrer gewohnten, auf sie abgestimmten Umgebung und ihren eigenen Hilfsmitteln arbeiten können und sich damit die teilweise anstrengende Anreise zum Arbeitsplatz sparen. Doch damit geraten diese Kolleginnen und Kollegen auch aus Ihrem Blick. Und es besteht nicht selten die Gefahr, dass sie mehr Arbeiten. Als sie eigentlich dürfen – oder noch schlimmer: Als gut für sie ist.
Bequem, aber auch problembehaftet
Digitales Arbeiten führt schnell dazu, dass sich Ihre schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen nicht mehr an die gesetzlichen Arbeitszeiten halten. Kein Wunder, denn diese Regelungen stammen aus der Steinzeit der Digitalisierung. Die Flexibilität Ihrer Kolleginnen und Kollegen sorgt aber für Probleme mit der Arbeitszeit.
4 Regeln: Das gilt auch bei der Arbeit von zu Hause
Regel Nr. 1 Jede Einsatzzeit ist auf die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche anzurechnen (§ 3 ArbZG).
Regel Nr. 2 Einsätze außerhalb der dienstlichen Arbeitszeit fuhren zu einer Unterbrechung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten von 11 Stunden (§ 5 ArbZG).
Regel Nr. 3 Es besteht eine Aufzeichnungspflicht für diese Arbeitszeiten (§ 16 ArbZG).
Regel Nr. 4 Es liegt in der Verantwortung des Arbeitgebers oder der Dienststellenleitung, die Einhaltung der Arbeitszeitgrenzen zu kontrollieren. Verstöße hiergegen können als Ordnungswidrigkeit oder gar als Straftat geahndet werden (§§ 22, 23 ArbZG).
Auch im digitalen Zeitalter: Das sind die 3 Grenzen bei der Arbeitszeit
Ob Home-Office oder eine andere Form des digitalen Arbeitens: Man sollte natürlich immer zuerst die gesetzlichen Grenzen der Arbeitszeit im Blick haben.
Grenze Nr. 1: Nach 10 Stunden ist immer Schluss
Grundsätzlich gilt für alle Ihre Kolleginnen und Kollegen auch bei digitaler Arbeit ohne feststehenden Arbeitsplatz eine tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden.
Wichtig: Eine Verlängerung auf bis zu zehn Stunden ist möglich, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Praktisch heißt das, dass ausnahmsweise bis zu 60 Stunden pro Woche erlaubt sind, im Mittel aber höchstens 48 Stunden erreicht werden dürfen.
Grenze Nr. 2: Für 11 Stunden ist immer Ruhe
Alle Kolleginnen und Kollegen, auch die mit schwerer Behinderung, müssen zwischen zwei Diensteinsätzen eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben (§ 5 ArbZG).
Grenze Nr. 3: Keine Arbeit an Sonn- und Feiertagen
Eine Ausnahme von dieser Grenze gilt nur für die Betriebe und Dienststellen, die im Gesetz ausdrücklich genannt sind (§ 10 ArbZG). Das sind zum Beispiel
- in Krankenhäusern,
- bei der Feuerwehr,
- bei Not- und Rettungsdiensten,
- zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung,
- zur Sicherung der Funktionsfähigkeit von Behörden und
- in kommunalen Energie- und Wasserversorgungsbetrieben.
Digitale Überstunden: Nur unter diesen Voraussetzungen
Ihre Kolleginnen und Kollegen müssen auch bei digitaler Beschäftigung nur dann Überstunden leisten, wenn
- es sich um einen dringenden und unvorhergesehenen Notfall handelt oder
- die Verpflichtung zur Mehrarbeit bereits im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag festgelegt worden ist.
Schwerbehinderte haben auch bei der Arbeitszeit besondere Rechte
Ihr Arbeitgeber oder Dienstherr ist darüber hinaus verpflichtet, schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen behinderungsgerecht zu beschäftigen. Wichtiger Bestandteil der leidensgerechten Beschäftigung ist hierbei auch der Anspruch auf Veränderung der Arbeitszeit. Hierzu gehören, sofern es die Art und Schwere der Behinderung erfordert, neben einem Anspruch auf Verkürzung der Arbeitszeit auch die Befreiung von Mehrarbeit oder Schichtdienst.
Freistellung von Überstunden
Laut § 3 ArbZG ist Mehrarbeit dann gegeben, wenn Beschäftigte die gesetzliche werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden überschreiten. Eine individuell vereinbarte oder tarifliche regelmäßige Arbeitszeit spielt bei der Bewertung von Mehrarbeit keine Rolle.
Überstunden bedeuten deshalb nur dann Mehrarbeit, wenn die 8-Stunden-Grenze überschritten wird. So kann beispielsweise ein schwerbehinderter Arbeitnehmer, der in Ihrem Betrieb 6 Stunden tätig ist, laut ArbZG weitere 2 Stunden arbeiten.
Ihre schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen können mehr Arbeitsstunden auch nicht einfach grundsätzlich ablehnen. Nach § 207 SGB IX können sie sich aber auf eigens Verlangen hin von Mehrarbeit freistellen lassen, damit sie nicht zusätzlich belastet werden. Deshalb bleibt es jedem einzelnen schwerbehinderten Mitarbeiter selbst überlassen, ob er sich freistellen lässt. Die Freistellung bedeutet, dass der Betroffene eine tägliche Arbeitszeit über 8 Stunden verweigern kann.
Tipp: Dazu genügt es, wenn der betroffene Kollege oder die Kollegin das Freistellungsverlangen gegenüber dem Arbeitgeber oder der Dienststellenleitung geltend machen. Geben Sie den Kollegen den Tipp, die Freistellung am besten schriftlich vorzulegen, damit es nachgewiesen und zu Beweiszwecken verwendet werden kann.
Achtung Bereitschaftsdienst!
Wenn schwerbehinderte Mitarbeiter im Bereitschaftsdienst Ihres Betriebs tätig sind, ist dieser als Arbeitszeit anzusehen (ArbZG). Das bedeutet, der Dienst ist bei der Bestimmung der Mehrarbeit zu berücksichtigen.
Wichtig: Rufbereitschaft gehört nur dann zur Arbeitszeit im Sinne des § 207 SGB IX. Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anweist, innerhalb der Rufbereitschaft die Arbeit in einer derart kurzen Zeit aufzunehmen, dass der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort während der Rufbereitschaftszeit nicht mehr frei bestimmen kann.
Das gilt für Nachtarbeit
Nachtarbeit ist im Einzelfall zu entscheiden, z. B. wenn seine Behinderung eine Arbeitszeit erfordert, die eine Nachtarbeit ausschließt. Wäre die Tätigkeit unzumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden, ist Ihr Arbeitgeber verpflichtet, den betroffenen Kollegen nicht zum Nachtdienst einzuteilen.
Überstunden bei Teilzeitarbeit?
Hier kommt beim Thema Mehrarbeit ebenfalls § 207 SGB IX zum Tragen. Aber die Vorschrift ist nicht anwendbar, wenn die Kollegen ihre persönliche tägliche Arbeitszeit überschreiten, sondern erst, wenn die gesetzliche tägliche 8-Stunden-Arbeitszeitgrenze überschritten wird!
Stand (24.09.2024)