Es ist das größte Beben in der deutschen Wirtschaft seit Jahrzehnten: VW plant angeblich, bis zu 10.000 Arbeitsplätze abzubauen. Die Folge: Es wird nicht lange dauern, bis auch Zulieferer in großem Stil ihr Personal reduzieren. Das Mittel zum Zweck: Betriebsbedingte Kündigung. Doch das hat für Ihren Arbeitgeber einen großen Haken: Mit betriebsbedingten Kündigung droht auch der Verlust von Fachkräften und anderen Leistungsträgern, die Ihr Arbeitgeber unbedingt halten will.
Das sind Leistungsträger
Die besten unter den Besten! Die will Ihr Arbeitgeber natürlich um jeden Preis halten. Überraschung: Hierbei hilft ihm sogar das Gesetz.
Danach darf Ihr Arbeitgeber leistungsstarke Mitarbeiter, die für Ihren Betrieb besonders wichtig sind, von der Sozialauswahl ausnehmen.
Mehr Leistungsträger als gedacht
Wahrscheinlich beschäftigt Ihr Arbeitgeber in Ihrem Betrieb viel mehr Leistungsträger, als Sie als Betriebsrat vielleicht denken. Darunter fallen nämlich alle Kolleginnen und Kollegen, deren Weiterbeschäftigung vor allem wegen ihrer
- Kenntnisse,
- Fähigkeiten oder
- Leistungen
im berechtigten betrieblichen Interesse liegt (§ 1 Absatz 3 Satz 2 KSchG).
Wichtiger Hinweis: Natürlich muss Ihr Arbeitgeber genau begründen, warum die Kollegin oder der Kollege, die bzw. der von der Sozialauswahl ausgenommen und damit von der Kündigung verschont werden soll, für Ihren Betrieb so wichtig ist.
Schnell-Check: So schnell werden Kolleginnen und Kollegen zu Leistungsträgern
| Ja | Nein | |
| Besitzt die Kollegin oder der Kollege notwendige Fremdsprachenkenntnisse? | ||
| Hat sie bzw. er einen Ausbildungs- oder sogar einen Hochschulabschluss? | ||
| Verfügt die Kollegin oder der Kollege über Fachwissen, zum Beispiel hinsichtlich bestimmter Herstellungsprozesse? | ||
| Ist Ihre Kollegin oder Ihr Kollege befähigt, bestimmte Fertigungsmaschinen oder EDV-Anlagen bzw. -programme zu bedienen, sie oder er über eine jahrelange Routine verfügt? | ||
| Hat sie oder er Führungskompetenzen? | ||
| Liefert die Kollegin oder der Kollege überdurchschnittliche Verkaufszahlen? | ||
| Macht sie oder er nur äußerst selten einen Fehler? |
Haben Sie als Betriebsrat auch nur einmal mit „Ja“ geantwortet, stehen die Chancen gut, dass die Kollegin oder der Kollege ein Leistungsträger und damit von der Sozialauswahl und der betriebsbedingten Kündigung auszuschließen ist.
Wichtiger Hinweis: Bei den Qualifikationen im Schnell-Check handelt es sich um in der Praxis häufige Fälle. Natürlich kann die Kollegin oder der Kollege auch andere spezielle Kenntnisse, Fähigkeiten oder Leistungen aufweisen, die ihn für Ihren Betrieb wichtig und damit „unkündbar“ machen.
Im Kündigungsfall: Das wollen Arbeitgeber jetzt
Viele Arbeitgeber versuchen vor dem Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen mit Ihnen als Betriebsrat auch gerne ein Punkteschema zu vereinbaren, um Leistungsträger im Betrieb zu halten. Das Problem: Selbst wenn Sie sich als Betriebsrat mit dem Arbeitgeber auf ein solches Punktschema einigen, will er dies oft nicht in Form einer Auswahlrichtlinie tun (§ 95 BetrVG).
Denn dadurch würde er auch in Bezug auf eine künftige Sozialauswahl gebunden und die Möglichkeit verlieren, das Punkteschema an seine Interessen anzupassen.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Gemeinsam mit Ihnen als Betriebsrat kann Ihr Arbeitgeber das Punkteschema aber als Auswahlrichtlinie für die konkret anstehenden Kündigungsmaßnahmen vereinbaren und sich so die Leistungsträger im Betrieb sichern.
Stand (18.11.2024)

