Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer legte seinem Arbeitgeber eine AU-Bescheinigung vor. Der Arbeitgeber hielt diese jedoch für erschlichen. Er sprach nach Anhörung des Betriebsrats eine Kündigung aus. Doch der schwerbehinderte Arbeitnehmer klagte – mit Erfolg.
Der Arbeitgeber hatte den Betriebsrat (eine Schwerbehindertenvertretung gab es in diesem Betrieb nicht) zwar über die Kündigung informiert, „dabei aber nicht alle Umstände mitgeteilt“. Vor allem das, was der Betroffene zur Entkräftigung des Verdachts vorgetragen hatte. Das Arbeitsgericht Frankfurt aber meint: Gerade wenn es um eine Verdachtskündigung geht, brauchen Betriebsrat und SBV alle Informationen, um selbst ermitteln zu können. Da dies hier nicht gegeben war, scheiterte die Kündigung bereits an der nicht korrekten Anhörung (am 30.5.2023 veröffentlichtes Urteil des AG Frankfurt, Az. 3 Ca 6776/21). Was bei einer Verdachtskündigung wichtig ist, die folgende Übersicht verrät es Ihnen:
Übersicht: Anhörung bei einer geplanten Verdachtskündigung
- Besteht der dringende Verdacht, dass der Betroffene eine Straftat oder eine schwere vertragliche Pflichtverletzung begangen hat – und hat der Arbeitgeber diesen Verdacht auch begründet?
- Hat der Arbeitgeber offensichtlich alle Fakten ermittelt, Zeugen befragt und sonstige Beweise gesammelt – und liegen diese Ergebnisse Ihnen auch vor?
- Hat Ihr Arbeitgeber die oder den Betroffenen ordnungsgemäß angehört (das ist Pflicht!) und hat er der oder dem Betroffenen die Gelegenheit gegeben, den Verdacht zu entkräften?
- Hat der Arbeitgeber (etwaige) Rechtfertigungen der oder des Betroffenen überprüft und gegebenenfalls weitere Ermittlungen durchgeführt? Liegen diese Ergebnisse Ihnen auch vor?
- Besteht der dringende Verdacht auch nach der Anhörung der oder des Betroffenen fort?
- Hat der Arbeitgeber eine Interessenabwägung vorgenommen?
- Hat Ihr Arbeitgeber bei einer geplanten fristlosen Kündigung die 2-Wochen-Frist beachtet?
- Findet Ihre Anhörung vor Ausspruch der Kündigung statt?
Stand (27.06.2023)