Die Corona-Pandemie ist vorbei. Und doch kostet sie jetzt jede Menge Jobs. Mehr und mehr Impfgegner verlieren gerade ihre Beschäftigung. Jetzt traf es einen Messwärter – nachdem er 19 Jahre seinem Arbeitgeber treu geblieben war.
Am 3. Tag war es ein Impfpass
Der Fall: Denn plötzlich war es mit der Treue vorbei. Nach 19 Jahren Betriebszugehörigkeit hatte der Kollege seinem Arbeitgeber einen gefälschten Impfpass vorgelegt. Im Rahmen der „3G-Regelung“ war der Duisburger – wie alle anderen auch – verpflichtet, seinem Arbeitgeber vor Dienstantritt einen Impf-, Genesenen- oder Testnachweis vorzulegen. Dem kam der Messwärter an zwei Tagen in Folge auch ordnungsgemäß nach, indem er der Personalabteilung jeweils einen negativen Corona-Test vorlegte. Am darauffolgenden, dritten Tag brachte der Kollege keinen Test mehr mit zur Arbeit, sondern einen Impfausweis. Einen Monat später kündigte der Arbeitgeber, nachdem er den Betriebsrat und – weil der Kollege schwerbehindert war – die Schwerbehindertenvertretung sowie das Inklusionsamt angehört hatte. Der Grund: Der Kollege soll einen gefälschten Impfpass vorgelegt haben.
Das Urteil: Genau so sahen es auch die zuständigen Richter im Rheinland. Doch erst musste eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt werden. Das Düsseldorfer Gericht befragte
- eine Kriminalhauptkommissarin,
- den damaligen Leiter des Test- und Impfzentrums Duisburg,
- die Amtsapothekerin der Stadt Duisburg und
- einen von dem Kollegen benannten Zeugen.
Das Ergebnis: Die Beweise sprachen in erdrückender Weise gegen den Kollegen. Dreifach abgesichert sei, so die Richter, dass es die im Impfpass eingetragene Chargen-Nummer des Impfstoffs gar nicht gegeben habe. Der Stempel des Impfzentrums Duisburg auf dem Impfpass wies außerdem einen Schreibfehler auf. Der Zeuge, den der Kollege dafür benannte, dass er geimpft worden sei, konnte die Impfung nicht bestätigen, weil er zur ma.geblichen Zeit gar nicht gemeinsam mit dem Messwärter im Impfzentrum war, sondern draußen auf dem Parkplatz im Auto gewartet hatte.
Die Vorlage eines gefälschten Impfpasses stellt eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten dar, so das Gericht. Durch das hohe Maß an krimineller Energie, die es bedarf, um ein solches Dokument zur Umgehung der Nachweispflicht beim Arbeitgeber vorzuzeigen, war das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber nachhaltig gestört. Au.erdem ist der Gebrauch eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses – wie dem Impfpass – eine Straftat (§ 279 StGB). Und aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens kam es außerdem weder auf die langjährige Dauer des Arbeitsverhältnisses noch auf eine Wiederholungsgefahr an (LAG Düsseldorf, Urteil vom 02.02.2023, 11 Sa 433/22).
Ihre Mitbestimmungsrechte: Wenn die Dienststelle wegen Kleinigkeiten kündigt
Bei Kündigungen dieser Art sollten Sie als Personalrat natürlich genau hinsehen. Denn den Arbeitsplatz zu verlieren, trifft Ihre Kolleginnen und Kollegen besonders hart. Da gibt’s nur eins: Prüfen Sie als Personalrat solche Kündigungen im Anhörungsverfahren genau durch (§ 79 BPersVG). Das fängt beim oft unvollständigen Anhörungsschreiben Ihrer Dienststelle an.
Schnell-Check: Das gehört in die Anhörung
Das Anhörungsschreiben der Dienststellenleitung enthält Ja Nein
- die Art der Kündigung
- den Kündigungsgrund
- die Kündigungsfrist, soweit nicht fristlos gekündigt werden soll
- das Datum, zu dem die Kündigung erfolgen soll
- das Geburtsdatum des Arbeitnehmers
- sein Alter zum Zeitpunkt des Ausscheidens
- sein Eintrittsalter in die Dienststelle
- seine gesetzlichen Unterhaltspflichten
- eine eventuell bestehende Schwerbehinderung
- ein Hinweis auf eventuell erfolgte Abmahnungen
- die Auskunft, ob die Kollegin oder der Kollege bereits angehört wurde
Nur wenn alle diese Punkte im Anhörungsschreiben der Dienststellenleitung aufgeführt sind, ist die Anhörung vollständig.
Mein Tipp als Personalratsanwalt: Sobald Ihnen das Anhörungsschreiben der Dienststellenleitung vorliegt, sollten Sie als Personalrat sofort das Gespräch mit der Kollegin oder dem Kollegen suchen und den genauen Sachverhalt klären.
Interessenabwägung: Darauf kommt es besonders an
Für Sie als Personalrat sind bei Kündigungen vor allem
- das Alter der Kollegin oder des Kollegen,
- die Dauer der Betriebszugeh.rigkeit und l die gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber Kindern besonders wichtig.
Denn bei Kündigungen von
- Älteren Kolleginnen und Kollegen, die bereits
- lange Zeit beanstandungslos in der Dienststelle beschäftigt sind und
- unter Umständen auch noch Unterhaltsverpflichtungen haben,
fallen genau diese Punkte bei einer Interessenabwägung zugunsten der Kollegin oder des Kollegen in die Waagschale. Damit kann in vielen Fällen eine fristlose Kündigung vom Tisch sein, weil die Wahrscheinlichkeit, dass diese vom Arbeitsgericht wieder kassiert wird, hoch ist.
Deshalb sprechen viele Dienststellenleitungen neben der fristlosen, auch gleich noch hilfsweise eine ordentliche Kündigung aus. Das erhöht die Chance auf eine wirksame Trennung. Im Anhörungsverfahren kann die „Doppel-Kündigung“ für Ihre Dienststelle aber schnell zum Problem werden.
„Doppel-Kündigung“: Das gilt bei der Anhörung
Kündigt Ihre Dienststellenleitung
- fristlos und gleichzeitig
- hilfsweise ordentlich,
also unter Einhaltung der jeweils geltenden gesetzlichen, vertraglichen oder tarifvertraglichen Kündigungsfrist, reicht eine Anhörung. Das ist zulässig, obwohl es sich dabei eigentlich um zwei verschiedene Kündigungen handelt.
Allerdings muss Ihre Dienststellenleitung im Anhörungsschreiben deutlich machen, dass er Sie als Personalrat sowohl zur fristlosen, als auch zur hilfsweise ordentlich ausgesprochenen Kündigung anhört.
Wichtiger Hinweis: Vergisst Ihre Dienststellenleitung auf beide Kündigungsarten hinzuweisen oder werden Sie als Personalrat zum Beispiel nur zur fristlosen Kündigung anhört, macht das die hilfsweise ausgesprochene fristgemäße Kündigung wegen Ihrer fehlenden Mitwirkung als Personalrat unwirksam. Erweist sich im Prozess vor dem Arbeitsgericht dann auch noch die fristlose Kündigung als unwirksam, ist eine Entlassung der Kollegin oder des Kollegen vom Tisch.
2 Fristen: So lange muss Ihre Dienststellenleitung warten
3 Tage haben Sie als Personalrat in der Regel Zeit, auf die Anhörung zur fristlosen Kündigung zu reagieren. Bei einer fristgerechten Kündigung sind es zehn Tage. Das hat Auswirkungen auf den Zeitpunkt, zu dem Ihre Dienststellenleitung der Kollegin oder dem Kollegen kündigt.
Zunächst darf die Dienststellenleitung nämlich nach Ablauf von 3 Tagen zunächst nur fristlos kündigen. Die ordentliche, fristgerechte Kündigung muss er dann nach Ablauf von zehn Tagen nachschieben. Das hei.t: Ihre Kollegin oder Ihr Kollege erhalten zwei Kündigungsschreiben zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten.
Wichtiger Hinweis: Ausnahmsweise darf Ihre Dienststellenleitung aber schon früher kündigen, wenn Sie als Personalrat zur ordentlichen Kündigung bereits eine abschlie.ende Stellungnahme abgegeben haben, also zum Beispiel bereits Ihre Zustimmung zur Kündigung mitgeteilt haben.
Mein Tipp als Personalratsanwalt: Einen Widerspruch oder Ihre Bedenken im Rahmen des Anhörungsverfahrens gerichtsfest zu formulieren, ist alles andere als ein Kinderspiel für Sie als Personalrat. Die Beschlussfassung ist eine echte Herausforderung, denn neben der ordnungsgemäßen Einladung zu der entsprechenden Personalratssitzung, sollte Ihr Widerspruch eine Hilfe für die gekündigte Kollegin oder den gekündigten Kollegen im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses sein. Und das alles bei einer fristlosen Kündigung innerhalb der Frist von 3 Tagen!
Hier ist eine Anleitung, wie Sie den Beschluss gegen eine „Doppel-Kündigung“, also eine fristlose Kündigung mit hilfsweiser fristgemäßer Kündigung, richtig aufbauen:
Muster: So bauen Sie als Personalrat den Beschluss zur „Doppel-Kündigung“ auf
An die Dienststellenleitung
im Hause
Anhörung hinsichtlich der beabsichtigten Kündigung des Herrn …
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Personalrat hat in seiner Sitzung vom … im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 79 BPersVG hinsichtlich der Kündigung des Herrn … folgenden Beschluss gefasst:
1. Der Personalrat hat Bedenken gegen die beabsichtigte außerordentliche, fristlose Kündigung.
Gründe: …
2. Der Personalrat hat außerdem Bedenken gegen die beabsichtigte ordentliche Kündigung.
Gründe: …
…, den …
Unterschrift Personalratsvorsitzende(r)
Stand (20.02.2023)