Das betriebliche Eingliederungsmanagement spielt bei der gerichtlichen Klärung, ob eine krankheitsbedingte Kündigung gerechtfertigt ist, eine ganz entscheidende Rolle. Hat der Arbeitgeber ein solches BEM angeboten oder nicht? Oder hat er zwar eins angeboten – dann aber von sich aus abgebrochen? Das spricht im Fall eines Kündigungsschutzprozesses gegen die Kündigung. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte sich dazu mit der Frage beschäftigt, was im Falle einer einvernehmlichen Beendigung gilt.
Im entschiedenen Fall hatten Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich beschlossen, ein BEM abzubrechen, nachdem keine Einigung darüber zustande gekommen war, wie der Arbeitnehmer zukünftig eingesetzt werden könnte. Das heißt, das persönliche Ziel des BEM konnte nicht festgelegt werden. Der Arbeitgeber hatte im Vorfeld nachweislich den Betroffenen auf die Ziele des BEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen. Nach Auffassung des LAG Düsseldorf die Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein einvernehmliches Ende herbeigeführt werden kann. Der Arbeitnehmer muss nämlich die „notwendigen Kenntnisse“ über das BEM besitzen. Das war im entschiedenen Fall gegeben.
Achtung
Es reicht, wenn diese Informationen vom Arbeitgeber im Einladungsschreiben gegeben werden. Damit gelten sie nach Meinung des LAG Düsseldorf als „vermittelt“ (jetzt veröffentlichtes Urteil vom 17.05.2022, Az. 14 Sa 825/21).
Das Gericht trifft eine klare Aussage
Ein einvernehmlicher (vorzeitiger) Abschluss eines laufenden BEM können Arbeitgeber und Betroffene bzw. Betroffener nicht nur treffen, wenn der vorgesehene „Suchprozess“ durchgeführt ist (also die Frage geklärt ist, wann, wie und wo die der der Beschäftigte weiterhin eingesetzt werden kann), sondern schon dann, wenn sich beide Seiten einig darüber sind, dass der Suchprozess nicht weiter durchgeführt werden soll. Das Gericht wörtlich:
„Der Arbeitgeber verletzt seine Pflichten aus § 167 Abs. 2 SGB IX nicht, wenn er den Prozess anstößt und dem Arbeitnehmer die Ziele des BEM und die beabsichtigte Datenverarbeitung aufgezeigt hat, aber der derart informierte Arbeitnehmer sich auf das freiwillige BEM-Verfahren nicht einlässt.“ Gleiches gilt, wenn ein BEM zwar begonnen worden ist – aber vor Erreichung der Ziele einvernehmlich abgebrochen wird.
Auf die Dokumentation kommt es an
Wurde ein BEM zu Recht abgebrochen, also einvernehmlich? Der Hinweis auf „einvernehmlich“ ist hier ganz entscheidend. Denn ein Arbeitgeber allein kann nicht entscheiden: Jetzt breche ich ab. Damit kann er sich die krankheitsbedingte Kündigung gleich schenken. Doch wann genau ist, abgesehen von den Kriterien, die jetzt das LAG Düsseldorf aufgestellt hat, ein BEM beendet?
Hier hilft ein Blick auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Demnach ist ein BEM u. a. abgeschlossen, wenn
- sich Arbeitgeber und Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer einig sind, dass der Suchprozess durchgeführt ist oder nicht weiter durchgeführt werden soll;
- der Arbeitnehmer seine Zustimmung für die weitere Durchführung nicht erteilt oder widerruft.
Achtung
Der Arbeitgeber dagegen kann das BEM nicht einseitig beenden. Auch wenn er keine Ansätze für Maßnahmen mehr sieht, ist das Verfahren erst abgeschlossen, wenn auch alle anderen beteiligten Stellen, also Arbeitnehmer, Sie als Schwerbehindertenvertretung oder Inklusionsamt keine ernsthaft weiter zu verfolgenden Ansätze aufzeigen. Dazu muss der Arbeitgeber all diesen Beteiligten die Gelegenheit geben.
Neuaufnahme des BEM?
Ist der Suchprozess abgeschlossen, ist der Fall erst einmal erledigt. Dann entsteht eine erneute Verpflichtung zum Angebot eines BEM erst dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit danach mehr als 6 Wochen andauert – es sei denn, der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin erteilt keine Zustimmung mehr.
Doch Achtung:
Auch wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer das BEM oder die Einschaltung anderer Stellen zunächst abgelehnt hat, muss der Arbeitgeber nachfragen, ob sich etwas an seiner bzw. ihrer Bereitschaft geändert hat, wenn es zu mindestens 6 weiteren Wochen Fehlzeit gekommen ist.
Stand (22.11.2022)