Massenentlassung Wirksamkeit
Schrumpft die Wirtschaft? Über diese Frage streiten die Experten. Jetzt heißt es gerade: Das Corona-Virus wird zu einem Crash führen. Abwarten. Allerdings bauen einige Unternehmen bereits massenweise Stellen ab. Wie es auch kommt: Fest steht, dass ohne Sie als Betriebsrat gar nichts geht. Erst recht, wenn mehr als 5 Mitarbeitern gekündigt werden soll. Für den Arbeitgeber können solche Massenentlassungen brandgefährlich werden.
Berlin statt Düsseldorf: Dieser Fehler wird jetzt teuer
Der Fall: Erst die Pleite, dann die Kündigungen. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung kündigte die Fluggesellschaft allen bei ihr beschäftigten Piloten. Darunter war auch ein Flugzeugführer, der für die Airline am Standort Düsseldorf eingesetzt war. Weil aber die Steuerung des Flugbetriebs von Air Berlin – wie der Name schon verrät – von Berlin aus erfolgte, erstattete die Fluggesellschaft bei der Bundesagentur für Arbeit Berlin-Nord die erforderliche Anzeige über geplante Massenentlassungen. Der Düsseldorfer Flugzeugführer klagte. Er meinte, über seine Kündigung hätte die Bundesagentur für Arbeit in Düsseldorf informiert werden müssen.
Das Urteil: Stimmt. Unterhält ein Unternehmen – wie hier Air-Berlin – mehrere Stationen, an denen Mitarbeiter beschäftigt werden, muss die Anzeige über die geplante Massenentlassung bei der Station erfolgen, der die betroffenen Mitarbeiter zugeordnet werden können. Das war im Falle des Piloten die Station Düsseldorf und damit die Bundesagentur für Arbeit in Düsseldorf. Denn nur da, so die Richter, treten auch die Auswirkungen der Massenentlassung auf, di durch eine frühzeitige Einschaltung der zuständigen Bundesagentur für Arbeit abgefedert werden sollen (BAG, Urteil vom 13.02.2020, 6 AZR 146/19).
Diese 3 Fehler kann der Arbeitgeber machen
Ein Fehler mit fatalen Folgen: Schon kleine Nachlässigkeiten bei der Anzeige über die geplanten Massenentlassungen, haben Einfluss auf alle in diesem Zusammenhang stehenden Kündigungen. In der Praxis reicht es schon, wenn der Arbeitgeber
- keine,
- eine fehlerhafte oder
- auch nur eine unvollständige Anzeige
bei der zuständigen Agentur für Arbeit erstattet. Die Folge in allen 3 Fällen: Sämtliche Kündigungen, die von der Massenentlassung umfasst sind, sind automatisch unwirksam (§ 17 Absatz 1 KSchG). Reicht der Arbeitgeber – wie in diesem Fall Air Berlin – die Anzeige bei einer anderen als der zuständigen Behörde ein, hat er bei der tatsächlich zuständigen Agentur für Arbeit gerade keine Anzeige erstattet. Damit waren auch hier alle Kündigungen unwirksam.
Ab 5 Kündigungen: Was sonst noch für die Unwirksamkeit sorgt
Massenentlassungen sind für Arbeitgeber eine heikle Angelegenheit. Neben der zuständigen Agentur für Arbeit muss er nämlich auch Sie als Betriebsrat einschalten und mit Ihnen nach Möglichkeiten suchen, wie die geplanten Kündigungen verhindert bzw. eingeschränkt oder wie deren Folgen abgemildert werden können. Das gilt übrigens schon ab 5 Kündigungen.
Übersicht: In diesen Fällen liegt eine Massenentlassung vor
Betriebsgröße (Arbeitnehmer) | Mindestzahl der von Kündigungen betroffenen Arbeitnehmer |
21 bis 59 | 5 |
60 bis 499 | 10 % oder mehr als 25 |
ab 500 | 30 |
Plant Ihr Arbeitgeber je nach Betriebsgröße innerhalb von 30 Kalendertagen die Mindestzahl oder mehr Kündigungen auszusprechen, handelt es sich um eine anzeigepflichtige Massenentlassung, bei der auch Sie als Betriebsrat zu beteiligen sind.
Sogar die Schwerbehindertenvertretung muss beteiligt werden
Die Pflicht des Arbeitgebers zur Beteiligung gilt nicht nur Sie als Betriebsrat, sondern für alle in Ihrem Betrieb vorhandenen oder nach nationalem Recht zu bildenden Arbeitnehmervertretungen, also zum Beispiel auch für die Schwerbehindertenvertretung (LAG Berlin-Brandenburg, 11.07.2019, 21 Sa 2100/18).
Wichtiger Hinweis: Dieses Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig und kann vom BAG noch gekippt werden. Für Arbeitgeber empfiehlt es sich aber schon jetzt bei Massenentlassungen alle Vertretungen einzuschalten und mit ihnen Beratungen zu führen.
Checkliste: Darüber muss Sie der Arbeitgeber informieren
Ja | Nein | |
Hat der Arbeitgeber Ihnen die Gründe für die geplanten Kündigungen genannt? | ||
Sind Sie über die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Kollegen informiert? | ||
Haben Sie Auskunft über die Zahl und die Berufsgruppen der regelmäßig in Ihrem Betrieb beschäftigten Kollegen erhalten? | ||
Kennen Sie aufgrund der Mitteilung des Arbeitgebers den Zeitraum, in dem die Entlassungen erfolgen sollen? | ||
Lässt sich aus dem Schreiben des Arbeitgebers erkennen, nach welchen Kriterien die von den Entlassungen betroffenen Kollegen ausgewählt werden sollen? | ||
Wissen Sie infolge der vom Arbeitgeber erhaltenen Informationen, wie sich eventuell geplante Abfindungen berechnen? |
Nur wenn Sie alle diese Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, ist das Informationsschreiben des Arbeitgebers an Sie als Betriebsrat vollständig.
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