Frage: Folgender Fall beschäftigt mich zu Zeit sehr: eine seit Jahren beschäftigte Kollegin, die bereits mehrere schwere Eingriffe hatte, hat massive gesundheitliche Probleme. Da Sie ungefähr 50 Kilometer von Betriebsstätte entfernt wohnt, hat sie einen Telearbeitsplatz beantragt und genehmigt bekommen. Nun droht ihr die Abteilungsleitung damit, dass sie kein Homeoffice mehr machen darf, sondern ihre Stunden im Betrieb ableisten muss. Wichtig an dieser Stelle wäre noch zu erwähnen, dass die Kollegin im zentralen Schreibdienst tätig ist, d.h. es spielt eigentlich keine Rolle, ob zu Hause oder am Arbeitsplatz arbeitet. Meines Erachtens ist es reine Willkür der Abteilungsleitung. Wie ist hier die Rechtslage?
Antwort: Nach dem gesetzlich ausdrücklich festgelegten Weisungsrecht kann der Arbeitgeber zwar grundsätzlich einseitig, das heißt auch ohne Zustimmung des Kollegen und notfalls sogar gegen dessen Willen die Einzelheiten der von ihm im Arbeitsvertrag häufig nur rahmenmäßig versprochenen Dienste in
• fachlicher,
• örtlicher und
• zeitlicher Hinsicht
konkretisieren (§ 106 GewO).
Der Arbeitgeber kann also durchaus anordnen, dass eine Kollegin oder ein Kollege seiner Arbeitspflicht, statt im Betrieb zu Hause im Home-Office nachzukommen und dies jederzeit auch wieder ändern. Das gilt jedenfalls so lange, wie dem Arbeitgeber der Rückruf in den Betrieb nicht – zum Beispiel durch eine Betriebsvereinbarung oder durch den Arbeitsvertrag– untersagt ist.
Allerdings hat der Arbeitgeber oder Dienstherr, wenn er sein gesetzliches Weisungsrecht ausübt, auch nach billigem Ermessen zu handeln. Dem kommt er nach, wenn er die wesentlichen Umstände des Einzelfalls und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt.
Das heißt nichts anderes, als dass er seine Interessen an der Rückkehr in den Betrieb gegen die Interessen der Kollegin im Einzelfall gegeneinander abwägen muss.
Bei dieser Abwägung muss Ihr Arbeitgeber insbesondere
• auf die Behinderungen der Kollegin Rücksicht nehmen,
• das Alter und
• die familiäre Situation
zugunsten Ihrer Kolleginnen beachten.
Überwiegen die Interessen der Kollegin oder des Kollegen, kann Ihr Arbeitgeber die Beschäftigung im Home-Office in der Regel nicht widerrufen.
Und genau hier liegt die Chance Ihrer Kollegin, denn sie hat ein erhebliches Interesse, weiterhin im Home-Office beschäftigt zu werden. Um eine Versetzung zurück ins Büro als „billig“ im Sinne des § 106 GewO erscheinen zu lassen, bedarf es sachlicher Interessen des Arbeitgebers, die die Interessen der Kollegin überwiegen. Diese muss er natürlich auch darlegen.
Stand (30.04.2025)