Deutschland ächzt unter den sommerlichen Temperaturen. Viele Betriebe haben schon die Klimaanlagen herunter gedreht oder sogar ganz ausgeschaltet, um angesichts der hohen Strom- und Gaspreise für finanzielle Entlastung zu sorgen. Logisch, dass sich jetzt die ersten fragen, was uns erst im Winter erwartet. So viel ist klar: Die Raumtemperaturen am Arbeitsplatz werden sinken. Die Frage ist nur: Wie viel?

Warm anziehen heißt die Devise

So viel scheint sicher: Ihre Kolleginnen und Kollegen sollten in diesem Winter besser mit einem warmen Pulli in den Betrieb kommen. Viele Betriebe prüfen nämlich schon, ob und wenn ja, wie weit sich die Raumtemperaturen am Arbeitsplatz senken lassen, damit bei einem Gasnotstand die Geschäfte trotzdem weiterlaufen.

Wichtiger Hinweis: Einfach ausschalten darf Ihr Arbeitgeber die Heizung im Betrieb aber nicht. Die Mindest-Temperatur am Arbeitsplatz ist vielmehr gesetzlich vorgeschrieben und in der Arbeitsstättenregel ASR A3.5 genau festgelegt. Sie richtet sich nach einem 4-Stufen-Modell – abhängig von der Art der Beschäftigung

4-Stufen-Modell: So viel muss im Betrieb geheizt werden

1. Stufe

Sitzende Tätigkeiten ohne körperlichen Einsatz. Das sind vor allem Bürotätigkeiten inklusive gelegentlichem Aufstehen und Gehen.

20 Grad Celsius

2. Stufe

Leichte Tätigkeiten und mittelschwere sitzende Arbeit. Dazu gehören zum Beispiel die Beschäftigung an einer Werkbank.

19 Grad Celsius

3. Stufe

Mittelschwere gehende oder stehende Tätigkeiten. Hierzu können zum Beispiel Botengänge zählen

17 Grad Celsius

4. Stufe

Schwere Arbeiten, die stehend oder gehend verrichtet werden. Das gilt zum Beispiel für Kolleginnen und Kollegen, die schwere Lasten heben oder tragen müssen.

12 Grad Celsius

Eigenwärme statt Strom oder Gas

An dem Stufen-Modell lässt sich leicht erkennen: Je körperlich schwerer die Tätigkeit, desto kühler darf die Raumtemperatur sein. Das liegt an der Eigenwärme, die Ihre Kolleginnen und Kollegen erzielen, je anstrengender die Tätigkeit ist, die sie ausüben. Die persönliche Energiebilanz verbessert sich in solchen Fällen also.

Das passiert, wenn die Mindest-Temperatur nicht erreicht wird

Je kälter, desto gefährlicher wird es für Ihre Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz. Durch

• Ermüdung,
• Erschöpfung und
• eine verminderte Aufmerksamkeit

kann es zu einer erhöhten Unfall- und Gesundheitsgefahr kommen.

Wichtiger Hinweis: Wird die Mindest-Temperatur am Arbeitsplatz nicht erreicht, muss Ihr Arbeitgeber aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht wirksame Maßnahmen ergreifen. Welche das sind, können Sie sich als Betriebsrat anhand der TOP-Regel merken.

Top-Regel: Das steckt dahinter

T	Technische Maßnahmen, wie zusätzliche Heizgeräte, bereitstellen.
O	Organisatorische Maßnahmen, wie Aufwärmzeiten zu Arbeitsbeginn.
P	Persönliche Maßnahmen, wie den winterlichen Temperaturen angepasste Kleidung.

Notfall-Plan der Europäischen Union: So kalt darf es diesen Winter werden

Teils erheblich geringere als die üblichen Liefermenge flossen bereits durch die wichtigste Pipeline, die Gas von Russland nach Deutschland transportiert. Weitere Einschränkungen – bis zu einem vollständigen Liefer-Stopp – stehen im Raum. Deshalb nehmen die Appelle, Gas einzusparen, nicht nur gegenüber Privathaushalten, sondern auch Betrieben zu.

Die Europäische Union (EU) hat nun einen Notfall-Plan für die Gasversorgung verabschiedet, der auch Ihren Betrieb direkt betreffen soll: Demnach sollen

• öffentliche Gebäude,
• Büros und
• kommerzielle Gebäude

bereits ab Herbst auf maximal 19 Grad beheizt werden.

Wichtiger Hinweis: Aus dem Bundesarbeitsministerium ist aber derzeit zu hören, dass verbindliche Vorgaben für den Fall eines Gasnotstands – und damit ist wohl auch der EU-Notfall-Plan gemeint – die Arbeitsstättenregel nicht direkt betrifft.

Das Bundesarbeitsministerium und das Bundeswirtschaftsministerium prüfen derzeit noch, wie das Einsparen von Gas und die Gesundheit Ihrer Kolleginnen und Kollegen in Einklang gebracht werden können.

Wie Sie die Raumtemperatur einfach nachmessen

Für Sie als Betriebsrat geht es natürlich darum, dass – auch mitten in der Energiekrise – alle Gesetze, die Ihre Kolleginnen und Kollegen schützen sollen, im Betrieb auch weiterhin eingehalten werden (§ 80 Abs. 1 BetrVG). Solange es also aus dem Arbeits- oder Wirtschaftsministerium in Berlin noch keine anderslautende Regelung gibt, können Sie als Betriebsrat also die Einhaltung der aktuellen Mindest-Temperaturen natürlich jederzeit überwachen.

Das ist aber nicht so einfach, weil sogar das Messen der Mindest-Temperatur genau geregelt ist. Wie Sie die Messung korrekt durchführen, verrät Ihnen der folgende Schnell-Check:

Schnell-Check: So machen Sie beim Messen keinen Fehler

	Ja	Nein
Haben Sie die Messung mit einem Thermometer durchgeführt?
Weist das Thermometer eine Messgenauigkeit von höchstens +/- 0,5 Grad Celsius auf?
Wurde die Mindest-Temperatur bei sitzender Tätigkeit im Büro mit einer Distanz von 60 Zentimetern bei stehender Tätigkeit mit einer Distanz von 110 Zentimetern zum Boden gemessen?
Haben Sie als Vergleichswert zusätzlich die Außentemperatur gemessen – und zwar in Höhe von 2 Metern mit einem Abstand von 4 Metern zum Gebäude?
Wurde die Vergleichsmessung der Außentemperatur im Schatten durchgeführt?

Haben Sie als Betriebsrat alle diese Fragen mit einem klaren „Ja“ beantwortet, ist an Ihrer Messung der Mindest-Temperatur nichts auszusetzen.

Wichtiger Hinweis: Eine Vorschrift, die den Zeitraum zwischen den einzelnen Messungen festlegt, gibt es in der ASR A3.5 aber nicht.

Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Nehmen Sie dazu Ihren betrieblichen Arbeitsschutzverantwortlichen mit ins Boot. Er kann und sollte diese Messungen durchführen.

Bei jeder Änderung sollten Sie zu diesem Mittel greifen

Ändern sich in diesem Winter die betrieblichen Umstände, zum Beispiel wegen

• eines Umbaus, etwa von Zwei-Personen- in Großraum-Büros,
• einer Veränderung der Arbeitsabläufe oder
• der Anschaffung neuer Arbeitsmittel

ist es dringend zu empfehlen, eine neue Gefährdungsbeurteilung durchzuführen.

Näheres zum Thema Höchsttemperaturen finden Sie hier.

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