Fair ist anders: Ein bei einem Paketdienst beschäftigter Kollege ließ gleich am Anfang der Corona-Krise eine Flasche mit einem Liter Desinfektionsmittel vom Arbeitsplatz mitgehen. Jetzt bekam er für dieses wenig soziale Verhalten die Quittung.
Kein Diebstahl, weil nicht gut genug versteckt?
Der Fall: Der in Fahrzeugwäscherei beschäftigte 43jährige packte das vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Desinfektionsmittel kurzerhand in den Kofferraum seines nur 50 Meter vom Arbeitsplatz geparkten Autos. Dort fand esder Werkschutz beim Verlassen des Betriebsgeländes und informierte den Vorgesetzten. In dem daraufhin geführten Personalgespräch wies der auf frischer Tat ertappte Kollege jede Schuld von sich und argumentierte, dass er das Desinfektionsmittel, wenn er es hätte stehlen wollen, sicher besser in seinem Auto versteckt hätte. Der Arbeitgeber kündigte fristlos, nachdem der Personalausschuss des Betriebsrats der Kündigung zugestimmt hatte.
Das Urteil: Die Ausrede nahmen ihm nach dem verlorenen Kündigungsschutzprozess am Arbeitsgericht Mönchengladbach – wie wir von „Betriebsrat Heute“ berichtet haben – in der Berufung auch die zuständigen Düsseldorfer Richter nicht ab. Das Berufungsgericht stellte auch nicht so sehr auf den Diebstahl – des zum damaligen Zeitpunkt wegen der allgemeinen Knappheit immerhin 40 Euro teuren Desinfektionsflüssigkeit – sondern vielmehr darauf ab, dass der 43jährige seine Kollegen vom Gebrauch des wertvollen Schutzmittels ausgeschlossen hatte. Darin lag der wichtige Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 BGB, der den sofortigen Rauswurf des Kollegen rechtfertigte (LAG Düsseldorf, veröffentlicht am 17.05.2021, Urteil vom 14.01.2021, 5 Sa 483/20).
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Wer – auch nach der Corona-Pandemie – nur zu seinem eigenen Vorteil die eigenenKolleginnen und Kollegen schädigt, muss mit einer fristlosen Kündigung rechnen, der Sie als Betriebsratauch zustimmen können. In diesem Fall liegt der wichtige Grund für die schnelle Entlassung in einer schweren Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtspflicht – die gilt nämlich nicht nur gegenüber dem Arbeitgeber, sondern auch gegenüber allen anderen Kolleginnen und Kollegen im Betrieb.
Wie der Personalausschuss Ihnen viel Arbeit abnimmt
Der eigennützige Kollege führte vor Gericht auch noch an, dass der Personalausschuss, der in seinem Fall der Kündigung zugestimmt hatte, vom Betriebsrat nicht richtig eingesetzt worden sei. Schon deswegen hielt er seine Kündigung für unwirksam, weil es an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats gefehlt habe. Doch auch diesem Versuch nahmen die Düsseldorfer Richter schnell den Wind aus den Segeln.
Als Betriebsrat können Sie nämlich wie in diesem Fall ohne Zustimmung des Arbeitgebers
- ab neun Mitgliedern einen Betriebsausschuss (§ 27 BetrVG) und
- ab 100 Arbeitnehmern einen Personalausschuss (§ 28 Abs. 1 BetrVG) ins Leben rufen.
Muster: So stimmt der Personalausschuss einer fristlosen Kündigung zu
Stellungnahme des Personalausschuss nach § 102 BetrVG zur Anhörung im Rahmen der Kündigung von Herrn/Frau …
Sehr geehrte Damen und Herren,
am … wurden wir als Betriebsrat durch eine Anhörung informiert, dass beabsichtigt ist, Herrn/Frau …, beschäftigt als … in … geboren am … verheiratet/geschieden/ledig, … unterhaltsberechtigte Kinder außerordentlich zu kündigen.
Der Personalausschuss ist durch
- Befragung der Zeugen
- Befragung des Arbeitnehmers
- Durchsicht der Protokolle des Werkschutzes
- …
zu der Auffassung gekommen, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist. Gerade jetzt in Zeiten der aktuellen Corona-Pandemie ist durch das Verhalten von Herrn/Frau … nicht nur der Firma, sondern auch der übrigen Belegschaft ein Schaden entstanden, der die Allgemeinheit gefährdet.
…, den …
Unterschrift
Stand (07.06.2021)