Besonders im Bewerbungsverfahren fühlen sich Schwerbehinderte wegen ihrer Behinderung häufig benachteiligt. Dass Ihr Arbeitgeber einen schwerbehinderten Bewerber nicht benachteiligen darf, bestimmt zwar das § 164 Abs. 2 SGB IX. Dennoch kommt es immer wieder zu Fällen, bei denen Schwerbehinderte gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Aber hier kommen Sie als SBV ins Spiel!
So werden Sie am Bewerbungsverfahren beteiligt
Ihr Arbeitgeber muss Sie als Schwerbehindertenvertretung bei einer Bewerbung schwerbehinderter oder ihnen gleichgestellter Personen nach § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sofort und unmittelbar nach Eingang der Bewerbung informieren. Macht er das nicht, liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, die sogar bis zu 10.000 € an Bußgeld nach sich ziehen kann.
Sie als Schwerbehindertenvertretung müssen bei der Bewerbung eines Schwerbehinderten, am gesamten Bewerbungsverfahren beteiligt werden. Und das heißt, Sie bekommen Einsicht in sämtliche Bewerbungsunterlagen, auch in die Unterlagen der Bewerber ohne Behinderung. Denn nur so können Sie einen Vergleich ziehen.
Wichtig sind dabei allerdings nur Unterlagen, die nach § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX relevant für die Auswahlentscheidung Ihres Arbeitgebers sind. Ihr Arbeitgeber sollte Ihnen dafür nur Bewerbungsunterlagen von Bewerbern ohne Behinderung zu Verfügung stellen, die ohnehin bereits in der näheren Auswahl sind. Aber Sie bekommen alle Bewerbungen der Menschen mit Behinderung.
Sie nehmen an allen Bewerbungsgesprächen teil
Bewirbt sich ein Schwerbehinderter in Ihrem Betrieb, dürfen Sie als Schwerbehindertenvertretung an allen Bewerbungsgesprächen teilnehmen. Also auch an den Gesprächen, der Bewerber ohne Behinderung.
Wichtig: Der Schwerbehinderte kann ausdrücklich auf Ihre Teilnahme bei den Bewerbungsgesprächen verzichten. Aber auch in diesem Fall nehmen Sie trotzdem an den Gesprächen mit den Bewerbern ohne Behinderung teil.
Bewerbungsfrist sollte eingehalten werden
Ihr Arbeitgeber muss die Bewerbungsfrist abwarten, bevor er mit Bewerbungsgesprächen mit nicht behinderten Bewerbern beginnt. Bewirbt sich nämlich innerhalb der Frist doch noch ein Schwerbehinderter, muss Ihr Arbeitgeber gemeinsam mit Ihnen alle bereits durchgeführten Gespräche erneut führen. Der Grund: Nur so können Sie die wirklich alle Bewerber vergleichen. Alternativ kann er Sie auch von Anfang an dazu holen.
Hier droht Diskriminierung
Wenn Ihr Arbeitgeber vor Ende der Bewerbungsfrist die Stelle bereits besetzt und es wird die Bewerbung eines schwerbehinderten Bewerbers deshalb nicht berücksichtigt, droht eine Entschädigung für den schwerbehinderten Bewerber wegen Diskriminierung. Weisen Sie Ihren Arbeitgeber darauf hin, wenn er vorschnell zu handeln droht.
Besonderheit: Stellen im öffentlichen Dienst
Bei Stellen im öffentlichen Dienst ist es die Pflicht Ihres Dienstherrn nach § 165 Abs. 3 SGB IX den schwerbehinderten Bewerbern zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Ausnahme: Der Bewerber ist fachlich ungeeignet. Wird der schwerbehinderte Bewerber nicht eingeladen, geht die Rechtsprechung von einem Indiz für eine Benachteiligung aus. Aber es kommt wie immer auf den Einzelfall an.
Wichtig: Kann Ihr Arbeitgeber oder Dienstherr die Vermutung einer Benachteiligung nicht widerlegen, könnte es zu einer teuren Entschädigungszahlung für ihn kommen.
Absage im Bewerbungsverfahren
Entscheidet sich Ihr Arbeitgeber im Bewerbungsverfahren gegen den schwerbehinderten Bewerber, könnte es möglicherweise an der Behinderung liegen. Deshalb sollten Sie als Schwerbehindertenvertretung darauf achten, dass Ihr Arbeitgeber nicht nur eine unverzügliche Informationspflicht gegenüber dem Bewerber, Ihrem Betriebs- oder Personalrat und Ihnen als Scherbehindertenvertretung hat. Sondern, er muss bei einer Ablehnung des Schwerbehinderten auch sachliche Gründe vorweisen können.
Kann Ihr Arbeitgeber diese Gründe nicht nachweisen, muss er dem Bewerber nach § 15 AGG eine Entschädigung zahlen.
Wichtig: Sobald eine Benachteiligung vermutet wird, hat Ihr Arbeitgeber die Beweislast und muss nachweisen, dass es keinen Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen gibt.
Wann keine Diskriminierung vorliegt
Dass der Arbeitsplatz den Fähigkeiten und Kenntnissen der schwerbehinderten Beschäftigten entsprechen muss, ist gesichertes Recht. So sind schwerbehinderte Bewerber geeignet, deren berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten dem ausgeschriebenen Arbeitsplatz entsprechen. Im Umkehrschluss bedeutet das aber: Wenn die Art und Schwere der Behinderung negativ durch den Arbeitsplatz beeinflusst wird – oder sich die Behinderung womöglich verschlechtert – und eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes ebenfalls nichts verbessern würde, ist der Arbeitsplatz nicht geeignet. Und das bedeutet: Es liegt keine Diskriminierung vor. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn bei einem Lieferdienst Mitarbeiter gesucht werden und der schwerbehinderte Bewerber nur unter größter Anstrengung täglich die Treppen steigen könnte.
Es liegt ebenfalls keine Diskriminierung vor, wenn Ihrem Arbeitgeber oder Dienstherr die Behinderung nicht bekannt ist. Denn: Der schwerbehinderte Bewerber muss einen Hinweis auf seine Schwerbehinderung in der Bewerbung oder an einer Stelle im Lebenslauf geben, damit er eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung geltend machen kann. Ist der Hinweis nicht erfolgt und wird daher im Bewerbungsverfahren nicht erkannt, handelt es sich nach AGG nicht um Diskriminierung.
Tipp: Dokumentieren Sie die Ablehnungsgründe! Die einer Personalentscheidung zugrundeliegenden Fakten sollten Sie zu Beweissicherungszwecken nachvollziehbar dokumentieren. Bewahren Sie alle relevanten Informationen wenigstens für die Dauer der Klagefrist (drei Monate) auf. Hierzu gehören zum Beispiel
- Stellenausschreibungen,
- Bewerberunterlagen,
- Einstellungsentscheidungen.
Notieren Sie deshalb die Ablehnungsgründe und halten Sie fest, warum der jeweilige Bewerber bei der Stellenbesetzung nicht berücksichtigt werden konnte, beispielsweise wegen fehlender Qualifikationen.
Stand (29.10.2024)