Gibt es mehrere mögliche Zuständige, gibt es gerne mal Streit um die Zuständigkeiten. Gerade in großen Betrieben oder in kommunalen Verwaltungskomplexen entsteht dann schon einmal die Frage, welche der Schwerbehindertenvertretungen überhaupt zur Vertretung der Rechte der Kolleginnen und Kollegen berechtigt ist. In zwei aktuellen Urteilen haben sich Gerichte mit dieser Frage befasst.
Örtliche oder Gesamtvertretung? Diese Schwerbehindertenvertretung ist bei Einstellungen zuständig
So auch im vorliegenden Fall bei der Frage, ob die örtliche Schwerbehindertenvertretung (ÖSBV) oder die Gesamtbehindertenvertretung (GSBV) bei Einstellungen zu beteiligen ist. Doch der Streit entstand nicht zwischen den Gremien, sondern ging vom Dienstherrn aus. Der hatte im Alleingang entschieden.
Zentrale Stellenbesetzung als Sonderfall?
In dem Verfahren ging es darum, ob bei einem kommunalen Eigenbetrieb bei sogenannten zentralen Stellenbesetzungsverfahren – also Positionen mit einer Vergütung ab der Entgeltgruppe 12 – die örtliche Schwerbehindertenvertretung (ÖSBV) oder die Gesamtbehindertenvertretung (GSBV) zu beteiligen ist.
Der Dienstherr ging davon aus, dass für zentrale Stellenbesetzungsverfahren der Fachbereich Personal und Organisation zuständig ist und damit der Gesamtpersonalrat und die GSBV zu beteiligen sind. Die örtliche SBV war anderer Ansicht und klagte dagegen.
Örtlich geht vor
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen gab den Kollegen vor Ort Recht und entschied, dass bei Stellenbesetzung, zu denen es schwerbehinderten Bewerber gibt, grundsätzlich die örtliche Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen ist. Der Grund: Die Zuständigkeit der GSBV liegt laut Gesetz nur vor, wenn die Angelegenheit das Gesamtunternehmen oder mehrere Dienststellen betrifft und von der Schwerbehindertenvertretung der einzelnen Dienststelle nicht geregelt werden kann (§ 180 Abs. 6 Satz SGB IX). Das gilt auch dann, wenn für die Angelegenheit nicht der örtliche Betriebs- oder Personalrat, sondern der Gesamtbetriebs- oder Personalrat zuständig ist, denn das hat keine Auswirkung auf die gesetzlich vorgesehene Zuständigkeit der örtlichen SBV. (Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 25.01.2024. Az.: 6 TaBV 48/23).
Tipp: Lasen Sie sich im Bewerbungsverfahren nicht von Dienstherr oder Arbeitgeber ausbooten! Ihre Zuständigkeiten sind klar geregelt und Sie können darauf pochen, solange es auch um eine Einstellung in Ihrer Dienststelle oder Ihrem Standort geht.
Keine SBV: Gesamtschwerbehindertenvertretung darf an Betriebsversammlungen teilnehmen
Den eher gegenteiligen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden. Hier ging es allerdings um die Frage, ob die Gesamtschwerbehindertenvertretung zuständig ist, wenn es keine SBV vor Ort gibt.
Keine Einladung zur Betriebsversammlung
In einer Filiale eines Textilhandelsunternehmens waren zwei schwerbehinderte Arbeitnehmer beschäftigt. Eine Schwerbehindertenvertretung gab es dort jedoch nicht. Daher forderte die auf Unternehmensebene gewählte Gesamtschwerbehindertenvertretung (GSBV) den lokalen Betriebsrat auf, sie zum einen über anstehende Betriebsratssitzungen zu informieren und vor allem auch zu den turnusgemäßen Betriebsversammlungen einzuladen.
Der Betriebsrat in der Filiale reagiert nicht auf die Aufforderung. Daraufhin ging die GSBV vor Gericht. Die GSBV beantragte, den Betriebsrat zur Information über die Sitzungen und zur Einladung zu Betriebsversammlung zu verpflichten.
Obwohl der GSBV und Betriebsrat sich in einer Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht dann prinzipiell auf einen Vergleich verständigten, hatte die Geschäftsführung etwas dagegen. Die Begründung: Die GSBV sei „betriebsfremd“, weshalb eine Teilnahme an Betriebsversammlungen gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit verstoßen würde.
BAG: Kein Schwerbehinderter darf ohne Vertretung bleiben!
Das BAG entschied zu Gunsten der GSVB und stellte damit fest, dass in einem Betrieb ohne gewählte Schwerbehindertenvertretung eine Vertrauensperson der Gesamtschwerbehindertenvertretung stattdessen an Betriebsversammlungen teilnehmen darf. Hier hat die GSBV „Ersatzzuständigkeit“. Das bedeutet, dass die Vertrauensperson der auf Unternehmensebene gewählten Vertretung auch die Interessen der schwerbehinderten Menschen, die in einem Betrieb oder in einer Dienststelle tätig sind, in der keine Schwerbehindertenvertretung gewählt wurde, vertritt. Die GSBV hat deshalb auch nicht nur ein Teilnahme-, sondern auch ein Rederecht auf den Versammlungen (BAG vom 12.12.2023; Az.: 7 ABR 23/22).
Stand (29.10.2024)

