Schwangere Arbeitnehmerinnen genießen ebenso wie schwerbehinderte Kolleginnen und Kollegen einen besonderen Kündigungsschutz (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG). Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen, ohne von der Schwangerschaft zu wissen – und die Betroffene erst später davon erfährt. Das höchste deutsche Arbeitsgericht hat jetzt entschieden, was passiert, wenn einer Kollegin schon gekündigt wurde, bevor sie wusste, dass sie schwanger ist.
Klage zu spät eingereicht?
Am 14.05.2022 wurde einer Kollegin aus Sachsen durch ihren Arbeitgeber zum 30.06.2022 gekündigt. Nach einem positiven Schwangerschaftstest Ende Mai wollte die Frau auf „Nummer sicher“ gehen und vereinbarte für den 17.06.2022 den frühestmöglichen Termin beim Frauenarzt. Der Arzt bestätigte das Testergebnis. Aus Vorsicht hatte die Kollegin jedoch schon vier Tage vor dem Arzttermin eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht und am 21.06.2022 das ärztliche Attest nachgereicht. Aus diesem Grund beantragte die Kollegin die nachträgliche Zulassung der Klage. Die Arbeitgeberin vertrat die Auffassung, dass die Kollegin die Klage unmittelbar nach dem positiven Schwangerschaftstest einreichen müsse und nicht erst rund drei Wochen später.
Der Zeitpunkt der sicheren Kenntnis zählt
Das Bundesarbeitsgericht ließ die verspätete Klage zu und bestätigte die Unwirksamkeit der Kündigung. Zwar galt auch für die Kollegin die gesetzliche 3-Wochen-Frist zur Klageerhebung. Die hätte sie sogar nach dem positiven Schwangerschaftstest noch einhalten können. Die Richter meinten jedoch: Absolute Kenntnis von ihrer Schwangerschaft habe die Kollegin erst nach dem Termin beim Frauenarzt gehabt, weshalb ihre Klage trotz der Verspätung wegen der Versäumnis der dreiwöchigen Klagefrist noch zulässig sei (BAG, Urteil vom 03.04.2025, 2 AZR 156/24).
Schwerbehinderte: Parallelen des besonderen Kündigungsschutzes
Hier zeigen sich die Parallelen zum besonderen Kündigungsschutz Schwerbehinderter deutlich. Auch hier ist zunächst Voraussetzung, dass bei den betreffenden Beschäftigten objektiv eine Schwerbehinderung vorliegt. Für den Fall, dass eine Schwerbehinderung zwar vorliegt, diese dem Arbeitgeber oder Dienstherren bei Ausspruch der Kündigung jedoch nicht bekannt ist, gilt der besondere Kündigungsschutz dennoch. Der oder die gekündigte Kollegin bzw. Kollege muss jedoch innerhalb einer angemessenen Frist (in der Regel drei Wochen) auf die Schwerbehinderteneigenschaft und den damit verbundenen besonderen Kündigungsschutz hinzuweisen.
Wichtig: Die Voraussetzung für den besonderen Kündigungsschutz ist ebenfalls gegeben, wenn mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigungserklärung des Arbeitgebers, der Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt wurde. Die Voraussetzung gilt auch dann, wenn der Bescheid noch gar nicht vorliegt, aber der betroffene Mitarbeiter sich beim Antrag beteiligt hat.
Stand (30.04.2025)