In der Krise gibt’s oft keine Kompromisse: Manchmal kann Ihr Arbeitgeber gar nicht anders, als unpopuläre Maßnahmen, wie die Schließung einer Abteilung, und damit verbundene betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. Vorher reden Sie als Betriebsrat aber noch ein Wörtchen mit.
Das sollten Sie zuerst prüfen
Bei einem Sozialplan geht es nur um eins: ums Geld. Aber auch ein Interessenausgleich kann indirekt unangenehme finanzielle Folgen für Ihren Arbeitgeber haben, wenn sich zum Beispiel dadurch eine Betriebsänderung mehr als geplant in die Länge zieht. Deshalb sollten Sie genau prüfen,
- ob und
- wann
Ihr Arbeitgeber zu einem Sozialplan oder Interessenausgleich verpflichtet ist.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Fordern Sie als Betriebsrat bei mehreren betriebsbedingten Kündigungen nicht vorschnell einen Sozialplan, um die Folgen für die betroffenen Mitarbeiter, zum Beispiel durch eine Abfindungszahlung, abzufedern.
Einen Anspruch auf Abschluss eines Sozialplans haben Sie als Betriebsrat nur dann, wenn eine Betriebsänderung vorliegt (§ 111 BetrVG).
Wichtiger Hinweis: Das gilt aber nur, wenn in Ihrem Betrieb in der Regel mindestens 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind (§ 111 Satz 1 BetrVG).
Ausnahme: In diesem Fall können Sie auch einen Interessenausgleich erzwingen
Einen Interessenausgleich können Sie als Betriebsrat normalerweise nicht erzwingen, einen Sozialplan hingegen in aller Regel schon. Vor allem bei betriebsbedingten Kündigungen, wenn die Betriebsänderung besteht allein in einem Personalabbau!
Und hierfür gibt es klare Grenzwerte bei der Betriebsgröße. Sind die erreicht, können Ihr Betriebsrat überhaupt einen Sozialplan fordern.
Betriebsgröße: Das sind die Grenzwerte für einen Sozialplan
Betriebsgröße | Zahl der von einer Kündigung betroffenen Mitarbeiter |
bis 59 Arbeitnehmer | 20 % der Belegschaft, oder mindestens 4 Mitarbeiter |
60 bis 249 Arbeitnehmer | 20 % der Belegschaft, oder mindestens 37 Mitarbeiter |
250 bis 499 Arbeitnehmer | 15 % der Belegschaft, oder mindestens 60 Mitarbeiter |
ab 500 Arbeitnehmer | 10 % der Belegschaft, oder mindestens 60 Mitarbeiter |
Wichtiger Hinweis! Als Betriebsrat dürfen Sie außerdem keinen Sozialplan fordern, wenn Ihr Unternehmen in den ersten vier Jahren seit seiner Gründung von Massenentlassungen betroffen ist (§ 112a Absatz 2 BetrVG).
5 Schritte: So setzen Sie sich bei den Sozialplan-Verhandlungen durch
Ein Sozialplan kann für Ihren Arbeitgeber durchaus Vorteile haben. Zum Beispiel, wenn die in ihm festgelegten Abfindungen an Ihre Kolleginnen und Kollegen geringer sind, als die, die in einem Kündigungsschutzprozess drohen. Verzichten Ihre Kolleginnen und Kollegen aufgrund des Sozialplans auf eine Klage, spart das außerdem Anwalts- und Gerichtskosten – und zwar auf beiden Seiten. Als Betriebsrat ist es Ihre Aufgabe, darauf zu achten, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen infolge der Betriebsänderung möglichst gut wegkommen. Und das geht so:
Schritt Nr. 1: Eine gute Information ist immer die Grundlage
Bei einem Interessenausgleich und Sozialplan ist es üblich, dass Ihr Arbeitgeber Sie als Betriebsrat über die geplante Betriebsänderung informiert. Im Anschluss daran nehmen Sie mit Ihrem Arbeitgeber Beratungen über Interessenausgleich und Sozialplan auf. Diese beiden Verhandlungsgegenstände sind inhaltlich unbedingt zu unterscheiden.
Schritt Nr. 2: Erst den Interessenausgleich, dann den Sozialplan
Während mit dem Interessenausgleich die Betriebsänderung selbst gestaltet werden kann, regelt der Sozialplan den Ausgleich der Nachteile, die aus der Betriebsänderung entstehen. Daraus ergibt sich, dass nach dem Regelungsgegenstand der Interessenausgleich dem Sozialplan zeitlich logisch vorgeschaltet ist. Denn welche Nachteile sich aus einer Betriebsänderung ergeben, kann ja durchaus entscheidend davon abhängen, wie die Betriebsänderung gestaltet wird. Dennoch werden diese beiden Verhandlungsgegenstände oft zusammen beraten und häufig auch zusammen in einer Betriebsvereinbarung abgeschlossen.
Schritt Nr. 3: Immer erst den Interessenausgleich versuchen
Nicht vergessen: Nur der Sozialplan unterliegt Ihrer erzwingbaren Mitbestimmung als Betriebsrat. Beim Interessenausgleich sollten Sie zumindest versuchen, einen solchen abzuschließen. Lässt Ihr Arbeitgeber sich nicht darauf ein, läuft er große Gefahr, in einem Kündigungsstreit zu einem Nachteilsausgleich gemäß § 113 BetrVG verurteilt zu werden (BAG, Urteil vom 10.11.1987, Aktenzeichen: 1 AZR 360/86). Und das kann teuer werden!
Schritt Nr. 4: Interessenausgleich und Sozialplan nicht trennen
Als Betriebsrat sollten Sie überlegen, die Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan unabhängigvoneinander zu führen. In der Praxis verknüpfen die meisten Betriebsräte oft beide Beratungsgegenstände. Das ist nicht unzulässig, und kann den Arbeitgeber in seiner Verhandlungsposition schwächen, da der „Erzwingbarkeitsdruck“ hinsichtlich des Sozialplans sich dadurch faktisch auch auf den Interessenausgleich ausdehnt.
Schritt Nr. 5: Die Drohung mit der Einigungsstelle ist erlaubt
Wenn eine Einigung über den Sozialplan nicht zu Stande kommt, kann eine Vermittlung durch den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit beantragt werden. Wird diese Vermittlung
- nicht in Anspruch genommen oder
- war sie erfolglos,
können Sie als Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt dann die Einigung zwischen Ihnen und dem Betriebsrat.
Die Einigungsstelle hat ihre Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen. Das heißt, sie muss
- die sozialen Belange der betroffenen Mitarbeiter und
- die wirtschaftliche Vertretbarkeit Ihrer Entscheidung für das Unternehmen berücksichtigen (§ 112 Absatz 5 Satz 1 BetrVG).
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Für Ihre Verhandlungsposition als Betriebsrat in den Verhandlungen über einen Sozialplan ist es wichtig, auch die Plus-Punkte für Ihren Arbeitgeber im Auge zu haben. Wenn Sie sich bewusst sind, wo die Vorteile für Ihre Geschäftsführung liegen, können Sie diese in die Verhandlungen einfließen lassen und Ihren Arbeitgeber auf diese Weise einfacher überzeugen.
Gut zu wissen: So profitiert Ihr Arbeitgeber von seinem Sozialplan
Lassen Sie sich bei der Verhandlung des Sozialplans von Ihrem Arbeitgeber bloß nicht ausstechen.
Natürlich möchte Ihre Geschäftsführung sich nachher gegenüber den Gesellschaftern oder den Aktionären als harter Verhandlugspartner und Gewinner in der Krise präsentieren. Es gibt aber Punkte, die sich für Ihren Arbeitgeber so günstig auswirken, dass sie eigentlich für ihn unverhandelbar sind und bei denen er auf eine Aufnahme in den Sozialplan unbedingt bestehen will.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Es ist gut zu wissen, was Ihrem Arbeitgeber bei den Verhandlungen über einen Sozialplan wichtig ist. Denn viele dieser Regelungen benachteiligen die betroffenen Kolleginnen und Kollegen nicht unbedingt, wie zum Beispiel, wenn eine adäquate Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in Ihrem Betrieb besteht. Dann kann es sinnvoll sein, eine solche Regelung zur Verhandlungsmasse zu machen und auf diese Weise an anderer Stelle – zum Beispiel höhere Abfindungen – durchzusetzen.
Nicht alles, was dem Arbeitgeber wichtig ist, ist schlecht für Ihre Kollegen
Regelung Nr. 1 | Ausschluss von Sozialplanleistungen für die Kolleginnen und Kollegen, die in einem zumutbaren anderen Arbeitsverhältnis im Betrieb, Unternehmen oder Konzern weiterbeschäftigt werden können (§ 112 Absatz 5 Nr. 2 BetrVG). |
Regelung Nr. 2 | Ausschluss von Sozialplanleistungen bei Kolleginnen und Kollegen, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ohne sachlichen Grund widersprechen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Kolleginnen und Kollegen ein verbindliches Angebot eines anderen Unternehmens erhalten haben (§ 112a Absatz 5 Nr. 2 BetrVG). |
Regelung Nr. 3 | Keine Abfindung oder andere Sozialplanleistungen für Kolleginnen und Kollegen, die durch Ihre Vermittlung einen neuen Arbeitsplatz bei einem anderen Arbeitgeber finden. |
Regelung Nr. 4 | Keine Abfindung oder andere Sozialplanleistungen für Kolleginnen und Kollegen, die auf Grund einer Eigenkündigung oder Aufhebungsvereinbarung ausgeschieden sind, nachdem sie eine neue Arbeitsstelle gefunden haben. |
Regelung Nr. 5 | Keine Sozialplanleistungen für Kolleginnen und Kollegen, die zum Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Voraussetzungen für den übergangslosen Rentenbezug erfüllen. |
Regelung Nr. 6 | Keine Sozialplanleistungen, speziell Abfindungen, für Kolleginnen und Kollegen, die einen gleichwertigen oder gleichbezahlten Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb Ihres Unternehmens gefunden haben. |
Stand (10.02.2025)