In New York geht das schon seit Monaten so: Die Bürotürme füllen sich langsam wieder. Immer mehr Mitarbeiter werden von ihren Arbeitgebern aus dem Home-Office zurück in die Firma beordert. Mercedes-Benz macht es in Deutschland nun genauso – und ruft hunderte Kolleginnen und Kollegen wieder an die Arbeitsplätze im Betrieb. Doch geht das so einfach? Ein aktuelles Urteil zeigt: Nein.
Unzumutbare Versetzung
Der Fall: Ein Kollege war in einem rheinischen Betrieb beschäftigt, für den er während der Corona-Pandemie aber auch danach überwiegend aus dem Home-Office arbeitete. Im letzten März beschloss der Arbeitgeber, den bisherigen Standort des Betriebs zu schließen und forderte den Kollegen auf, anschließend an einem anderen – 500 km entfernten Standort – seiner vertraglich geschuldeten Arbeitspflicht nachzukommen. Als Alternative bot der Arbeitgeber dem Kollegen an, zu denselben Bedingungen am neuen Standort tätig zu werden. Dazu wollte sie eine Änderungskündigung aussprechen.
Der Kollege lehnte das Änderungsangebot ab und bestand darauf, dass er wie bisher aus dem Home-Office tätig sein wollte. Eine Beschäftigung am neuen Standort des Unternehmens sei für ihn wegen der weiten Distanz zu seinem Wohnort unzumutbar. Die Angelegenheit landete schließlich vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Köln.
Das Urteil: Die Kölner Richter gaben dem Kollegen Recht. Sowohl die Versetzung als auch die Änderungskündigung hielt das Gericht für unverhältnismäßig.
Nach dem gesetzlich ausdrücklich festgelegten Weisungsrecht kann der Arbeitgeber zwar grundsätzlich einseitig, das heißt auch ohne Zustimmung des Kollegen und notfalls sogar gegen dessen Willen die Einzelheiten der von ihm im Arbeitsvertrag häufig nur rahmenmäßig versprochenen Dienste in
- fachlicher,
- örtlicher und
- zeitlicher Hinsicht
konkretisieren (§ 106 GewO). Dazu zählt auch die Anordnung, aus dem Home-Office beschäftigt zu werden.
Außerdem kann der Arbeitgeber – so die Kölner Richter – durchaus anordnen, dass eine Kollegin oder ein Kollege seiner Arbeitspflicht, statt im Betrieb zu Hause im Home-Office nachzukommen und dies jederzeit auch wieder ändern. Das gilt jedenfalls so lange, wie dem Arbeitgeber der Rückruf in den Betrieb nicht – zum Beispiel durch eine Betriebsvereinbarung – untersagt ist.
Allerdings hat der Arbeitgeber, wenn er sein gesetzliches Weisungsrecht ausübt, auch nach billigem Ermessen zu handeln. Dem kommt der Arbeitgeber nach, wenn er bei seiner Entscheidung, die wesentlichen Umstände des Einzelfalls und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt.
Und genau das sahen die Kölner Richter nicht als erfüllt an: Der Kollege habe ein erhebliches Interesse, weiterhin im Home-Office beschäftigt zu werden. Dort sei er familiär, logistisch, im Freundeskreis und in der Kultur verortet. Um eine Versetzung von dort in ein Büro 500 km entfernt als „billig“ im Sinne des § 106 GewO erscheinen zu lassen, bedarf es sachlicher Interessen der Beklagten, die die Interessen des Klägers überwiegen. Solche Interessen auf Seiten des Arbeitgebers sahen die Richter aber in diesem Fall nicht, weil sich die Tätigkeit des Kollegen – wie sich in den letzten Jahren gezeigt hatte – genau so gut vom heimischen Arbeitsplatz aus erledigen lasse (LAG Köln, 11.07.2024, 6 Sa 579/23).
Das ist das gesetzliche Weisungsrecht des Arbeitgebers
Gewerbeordnung
§ 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber kann
- Inhalt,
- Ort und
- Zeit der Arbeitsleistung
nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb.
Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Übt Ihr Arbeitgeber dieses gesetzliche Weisungsrecht aus, haben Sie als Betriebsrat in der Regel keine Mitbestimmungsrechte. Das sollte Sie aber nicht davon abhalten, zu überprüfen, ob Ihr Arbeitgeber sich im Einzelfall auch an die gesetzlichen Regelungen und den Gleichbehandlungsgrundsatz hält (§ 80 BetrVG).
Wie Ihr Arbeitgeber per Weisung den Arbeitsort bestimmen kann
Grundsätzlich kann Ihr Arbeitgeber eine Kollegin oder einen Kollegen innerhalb des Betriebs versetzen.
Wichtiger Hinweis: Voraussetzung hierfür ist aber, dass im Arbeitsvertrag der Arbeitsort nicht verbindlich geregelt ist.
Außerdem darf Ihr Arbeitgeber Ihre Kolleginnen und Kollegen, wie das oft zum Beispiel bei Pflegediensten der Fall ist, auch im näheren Einzugsbereich des Betriebs oder in den eigenen vier Wänden – also im Home-Office – beschäftigen. Auch eine solche Weisung ist von seinem Direktionsrecht gedeckt.
Zurück aus dem Home-Office: Woran sich Ihr Arbeitgeber halten muss
Das Gleiche gilt, wenn Ihr Arbeitgeber eine Kollegin oder einen Kollegen wieder aus dem Home-Office zurück an den Arbeitsplatz im Betrieb beordern will. Auch diese Weisung ist von seinem Direktionsrecht – wie das Weisungsrecht auch oft genannt wird – gedeckt, sofern Ihr Arbeitgeber „billiges Ermessen“ ausübt. Das heißt nichts anderes, als dass er seine Interessen an der Rückkehr in den Betrieb gegen die Interessen der Kollegin oder des Kollegen im Einzelfall gegeneinander abwägen muss.
Bei dieser Abwägung muss Ihr Arbeitgeber insbesondere
- die Bindung der Kollegin oder des Kollegen an den aktuellen Arbeitsort – also auch an das Home-Office berücksichtigen muss – was vor allem bei einer schon lange bestehenden Beschäftigung aus den eigenen vier Wänden die Zurückbeorderung schwieriger macht,
- das Alter und
- die familiäre Situation
zugunsten Ihrer Kolleginnen und Kollegen in die Waagschale werfen muss.
Wichtiger Hinweis: Überwiegen die Interessen der Kollegin oder des Kollegen, kann Ihr Arbeitgeber die Beschäftigung im Home-Office in der Regel nicht widerrufen.
Mein Tipp als Betriebsratsanwalt: Am besten verständigen Sie sich als Betriebsrat mit Ihrem Arbeitgeber auf eine Betriebsvereinbarung, in der die Modalitäten für einen Widerruf der Beschäftigung im Home-Office und die Zurückbeorderung an den Arbeitsplatz im Betrieb geregelt werden können.
Stand (13.01.2025)