Ein Auge zugedrückt hatte ein Arbeitgeber über mehrere Jahre. Dann kündigte er. Doch was lange geduldet wird, kann kein Kündigungsgrund mehr sein. Auch nicht im öffentlichen Dienst.
217.017,71 € wollte der Arbeitgeber auch noch haben
Der Fall: Ein Verein, dessen Ziel die Förderung der Zucht spezieller Pferde war, hatte fristlos seinen Geschäftsführer vor die Tür gesetzt. Der sollte über Jahre teure Beraterverträge im Auftrag des Vereins abgeschlossen haben. Angeblicher Schaden: 217.017,71 €. Als der CEO sich gegen die Kündigung wehrte, verlangte der Verein per Widerklage die Rückzahlung dieser Summe.
Jahrelange Praxis: Daran ist nichts vorzuwerfen
Das Urteil: Erfolgslos. Schadensersatz gibt’s nicht. Und die fristlose Kündigung ist auch vom Tisch. Der damalige Vorstand des Vereins hatte nach Überzeugung des Gerichts das Projekt, in dessen Rahmen die Beraterkosten entstanden waren, befürwortet und initiiert.
Über Jahre hinweg, so die Richter, sei eine vom Arbeitsvertrag abweichende Abstimmung zwischen dem Vorstand und seinem Geschäftsführer praktiziert worden. Deshalb könne dem CEO sein Verhalten nicht zum Vorwurf gemacht werden.
Im Abschluss von für den Verein ungünstigen Verträgen sah das Gericht ebenfalls keinen Kündigungsgrund. Einen solchen Pflichtverstoß hätte der Arbeitgeber nämlich vorher ausdrücklich abmahnen müssen. Das hatte der Vorstand des Vereins aber nicht getan.
Schadensersatz: Dafür ist ein Pflichtverstoß erforderlich
Und Geld gab’s auch keins für den Arbeitgeber: Ein solcher Schadensersatzanspruch auf Grundlage der Arbeitnehmerhaftung setzt nämlich eine Pflichtverletzung voraus. Eine solche konnten die Richter im Verhalten des Geschäftsführers aber nicht erkennen (LAG Niedersachsen, am 07.10.2024 veröffentlichtes Urteil vom 24.09.2024, 10 SLa 76/24).
Schadensersatz: Dafür ist ein Pflichtverstoß erforderlich
Es kommt nämlich immer wieder vor, dass Dienststellenleitungen teilweise über Jahre ein vermeintliches Fehlverhalten von Kolleginnen und Kollegen widerspruchslos hinnehmen oder sogar noch fördern, um genau dies später für eine Kündigung zu verwenden.
Mein Tipp als Personalratsanwalt: Einer solchen Kündigung sollten Sie als Personalrat nicht zustimmen. Dafür gibt’s zwei Gründe:
- Ein solcher Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten muss der Kollegin oder dem Kollegen nämlich vorwerfbar sein. Das ist nicht der Fall, wenn die Dienststellenleitung die Pflichtverletzung duldet oder sogar noch fördert.
- Für eine fristlose Kündigung muss es der Dienststellenleitung unzumutbar sein, das Arbeitsverhältnis mit der Kollegin oder dem Kollegen – zumindest bis zum Ablauf der ganz normalen ordentlichen Kündigungsfrist – fortzusetzen. Nimmt Ihre Dienststellenleitung das Fehlverhalten dauerhaft hin, ohne eine Abmahnung auszusprechen, fehlt es an der erforderlichen Unzumutbarkeit auf Seiten des Dienstherrn.
Muster: So sagen Sie richtig „Nein“ zu vorgeschobenen Kündigungen
An die Dienststellenleitung
im Hause
…, den …
Anhörung zur Kündigung von Frau/Herrn …,
Sehr geehrte Damen und Herren,
zunächst bedanken wir uns für die Anhörung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung von Frau/Herrn …
Allerdings können wir der Kündigung die erforderliche Zustimmung unsererseits nicht erteilen. Nach eingehender Prüfung des Sachverhalts und einer Anhörung von Frau/Herrn … sind wir zu dem Schluss gekommen, dass das entsprechende Fehlverhalten nicht vorwerfbar und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses – zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht unzumutbar ist.
Unserer Ansicht nach stellt das vorgeworfene Verhalten keinen Pflichtverstoß – wie zum Beispiel gegen die gegenseitige arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht – dar.
Die Handlungen wurden vielmehr von dem Dienstvorgesetzten von Frau/Herrn … über einen Zeitraum von mindestens … Monaten nicht nur widerspruchslos hingenommen, sondern sogar gefördert.
Die Kündigung von Frau/Herrn ist deshalb aus unserer Sicht nicht zustimmungsfähig.
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Personalratsvorsitzende(r)
Stand (28.10.2024)

