Abmahnungen kommen im Berufsleben leider immer wieder vor. Sie sind ein zentrales Thema im Arbeitsrecht und stellen ein wichtiges Instrument für Arbeitgeber oder Dienstherren dar, um auf Fehlverhalten von Arbeitnehmern hinzuweisen. Doch ob eine Anmahnung auch wirklich rechtens ist, ist nicht immer ganz einfach zu bewerten. Doch wenn ein schwerbehinderter Kollege oder eine Kollegin Sie dabei um Hilfe ersucht, können Sie mit Hilfe dieses Beitrages prüfen, ob die Abmahnung korrekt ist oder ob ihr widersprochen werden muss.
Was ist eine Abmahnung?
Eine Abmahnung ist eine formelle Ermahnung des Arbeitgebers bzw. Dienstherren gegenüber dem Arbeitnehmer, wenn dieser gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstößt. Sie dient dazu, das Fehlverhalten zu dokumentieren und den Arbeitnehmer zurück auf den richtigen Pfad zu bringen, bereitet aber auch bei wiederholter gleicher Pflichtverletzung eine Kündigung vor. Typische Gründe für eine Abmahnung sind unpünktliches Erscheinen, wiederholtes Fernbleiben ohne Krankmeldung, Verstöße gegen betriebliche Vorschriften oder unangebrachtes Verhalten gegenüber Kollegen oder Vorgesetzten.
Wichtig: Die Gründe für eine Abmahnung müssen schwerwiegend genug sein, um diesen Schritt zu rechtfertigen (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Aber Achtung: Der Arbeitgeber oder Dienstherr kann frei entscheiden, ob er ein bestimmtes Verhalten bei dem einen Mitarbeiter abmahnen will und bei dem anderen nicht. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz gilt bei Abmahnungen nicht.
Ist die Abmahnung ein Fall für die SBV?
Der Arbeitgeber oder Dienstherr hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Natürlich hat er Ihnen die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen (§ 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX).
Damit fällt auch die Abmahnung unter die Mitteilungspflicht, da sie den schwerbehinderten Arbeitnehmer als Empfänger der Abmahnung direkt betrifft. Damit ist die SBV vor der Erteilung der Abmahnung zu unterrichten und anzuhören. Sie sollten dann im Gespräch mit dem betroffenen Mitarbeiter klären, ob sie hier helfen können und sollten.
Wichtig: Die Unterrichtungs- und Anhörungspflicht des Arbeitgebers hängt nicht davon ab, ob die Abmahnung mit der Schwerbehinderung oder Gleichstellung zusammenhängt oder nicht. Denn Sie können die Interessen von schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten behinderten Menschen nur umfassend vertreten, wenn Sie selbst beurteilen können, ob ein Bezug der personellen Maßnahme zu einer Schwerbehinderung besteht. Das heißt: Ob eine Abmahnung nur mittelbar mit einer Behinderung zusammenhängt, können Sie als SBV nur prüfen, wenn sie unterrichtet und dann auch angehört werden.
5 Tipps: So prüfen Sie, ob eine rechtssichere Anbahnung vorliegt
Schon kleine Fehler führen dazu, dass eine Abmahnung unwirksam ist. Was Sie bei einer Ihnen vorgelegten Mahnung überprüfen sollten, finden Sie in den nachfolgenden 5 Tipps:
1. Prüfen Sie, ob der Kollege oder die Kollegin überhaupt eine Pflicht verletzt hat
Dass diese Frage alles andere als banal ist, zeigen die folgenden 2 Beispiel mit scheinbar der gleichen Pflichtverletzung:
Beispiel 1: Ein im öffentlichen Dienst angestellter Schreiner hatte bereits längere Krankheitszeiten hinter sich und durfte nach ärztlichem Attest nur noch höchstens 10 kg heben und tragen. Der Arbeitgeber hatte deshalb Zweifel, ob der Mitarbeiter seiner Arbeit noch nachkommen könne, und forderte ihn auf – wie im maßgeblichen Tarifvertrag vorgesehen –, sich vom Amtsarzt untersuchen zu lassen. Den Termin versäumte der Mitarbeiter aber, weil er zu dem Zeitpunkt arbeitsunfähig krank war und seine Genesung nicht gefährden wollte. Der Arbeitgeber mahnte den Schreiner deshalb ab, und zwar zu Recht: Er war aufgrund des Tarifvertrags berechtigt, den Mitarbeiter zum Amtsarzt zu schicken. Der Mitarbeiter hätte den Termin wahrnehmen können und müssen, weil es keine Belege für eine Gefährdung seiner Genesung gab.
Beispiel 2: Ein anderer Kollege hatte ebenfalls eine Abmahnung erhalten, weil er eine vom Arbeitgeber geforderte ärztliche Untersuchung verweigerte. Allerdings ging es hier um eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung für Radiologieassistenten beim Betriebsarzt. Der Mitarbeiter war zwar Radiologieassistent, übte aber keine Tätigkeiten aus, für die die Vorsorgeuntersuchung vorgeschrieben ist. Deshalb durfte er die Untersuchung verweigern, und der Arbeitgeber musste die Abmahnung aus der Personalakte entfernen
Das bedeutet für Sie: Die Abmahnung ist nur berechtigt, wenn ein Kollege schuldhaft seine Pflicht verletzt hat. Prüfen Sie deshalb die relevanten Verträge und Vorschriften.
Übersicht: Liegt eine abmahnfähige Pflichtverletzung vor? | |
Ja | Nein |
Verleumdung oder Beleidigung des Arbeitgebers | Kritik am Arbeitgeber |
Verstoß gegen ein betriebliches Alkohol, Drogen oder Rauchverbot | privater Alkohol oder Drogenkonsum |
Zuspätkommen wegen Verschlafens | unverschuldetes Zuspätkommen, z. B. wegen eines unverschuldeten Unfalls |
Nicht- oder Falschbetätigen der Stechuhr | Verweigerung der biometrischen Zeiterfassung |
Der Kollege/die Kollegin weigert sich, eine vertragsgemäße Arbeit nach Weisungen des Arbeitgebers zu erledigen. | Der Kollege/die Kollegin verweigert eine für ihn/sie unzumutbare Arbeit (z. B. diese körperlich nicht zumutbar ist). |
Wichtig: Bei schweren Pflichtverletzungen wie Diebstahl, sexueller Belästigung oder einem tätlichen Angriff auf Vorgesetzte oder Kollegen kann in der Regel ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden!
2. Ist die Abmahnung zeitnah zum Vergehen erfolgt und kann nachgewiesen werden?
Die Abmahnung muss sehr zeitnah zum Sachverhalt erfolgen, damit sie zum einen ihren Sinn des „Denkzettels“ auch erfüllt, aber auch dem Kollegen eine Chance zur Verteidigung gibt.
Beispiel: Schickt der Arbeitgeber oder Dienstherr erst nach einem halben Jahr die Abmahnung, kann der Kollege oder die Kollegin die Vorfälle z.B. vor Gericht glaubhaft anzweifeln, weil er oder sie sich nicht mehr daran erinnert. Legt der Arbeitgeber dann auch keine ausreichenden Beweise vor, ist die Abmahnung unzulässig.
3. Ist für jede Pflichtverletzung eine eigene Abmahnung formuliert?
Man könnte zwar meinen, dass eine Abmahnung stärker wirkt, wenn sich darin gleich mehrere Pflichtverletzungen finden. Dem ist aber nicht so. Denn: Wenn auch nur eine der aufgeführten Pflichtverletzungen nicht nachgewiesen werden kann, ist die gesamte Abmahnung unwirksam.
Wichtig: Dasselbe gilt, wenn sich eine Pflichtverletzung als nicht abmahnungswürdig erweist und ebenso, wenn eine frühere Abmachung erwähnt wird und diese unwirksam ist!
4. Enthält die Abmahnung diese Pflichtelemente?
Folgende Pflichtelement muss die Abmahnung enthalten:
Checkliste: Pflichtelemente einer Abmahnung | ||
Enthalten | nicht enthalten | |
• die Bezeichnung als Abmahnung | ||
• eine konkrete Schilderung des Sachverhalts, mit dem der Kollege seine Pflicht verletzt hat, mit Tag, die Uhrzeit und ggf. anwesenden Zeugen | ||
• die Wertung des Sachverhalts als Pflichtverletzung, ggf. mit Verweis auf den Paragrafen des Arbeitsvertrags, gegen den der Kollege oder die Kollegin verstoßen hat | ||
• die Aufforderung, sich pflichtgemäß zu verhalten | ||
• die Androhung einer Kündigung bei einem erneuten gleichartigen Pflichtverstoß |
Wenn nur eines dieser Pflichtelemente fehlt ist die Abmahnung unzulässig.
5. Sind die Grunddaten konkret aufgeführt?
Manchmal kann es auch ein Flüchtigkeitsfehler sein: Schon kleinste Fehler wie
- ein falsches Datum oder
- ein falsch geschriebener Name
können dazu führen, dass die Abmahnung unwirksam sein kann.
Wichtig: Ob die Abmahnung an sich berechtigt ist, spielt dann keine Rolle.
Stand (03.12.2024)